wolfsgeheul.eu vom 16.10.2017

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Als Anti-Wagnerianer bin ich wohl ein Tannhäuser Tor.

„Ich habe Dinge gesehen, die ihr Menschen niemals glauben würdet. Gigantische Schiffe, die brannten, draußen vor der Schulter des Orion. Und ich habe C-Beams gesehen, glitzernd im Dunkeln, nahe dem Tannhäuser Tor. All diese Momente werden verloren sein in der Zeit, so wie Tränen im Regen. Zeit zu sterben.“

Diesen genauso rätselhaften wie inhaltsleer scheinenden Monolog in seiner deutschen Synchronisation spricht der sterbende, sogenannte Replikant Roy Batty in Richtung von Blade Runner(Harrison Ford) im gleichnamigen Ursprungsfilm aus dem Jahre 1982, und er hat offenbar Kultcharakterstatus erlangt, obwohl zur damaligen Zeit eigentlich der Genetiv noch üblich war. Ein Ort oder ein Bauwerk namens „Tannhäuser Tor“ existiert nicht in der Realität. Man kann also des Tores nur auf der Leinwand ansichtig werden bzw. von ihm Kunde erhalten.

Mir war das als 22-Jähriger nicht vergönnt, da ich in der Lebensphase wohl eher zum Beispiel Fanny Ardant bei Truffaut, Mia Farrow bei Allen und auch deutsche Filme von Herzog oder Fassbender bevorzugte. Jedenfalls fehlte mir vorgestern die entsprechende Vorbildung, als ich mit einer Freundin spontan den neuen „Blade Runner 2049“, der im weitesten Sinne sogar von der FAZ gute Kritiken bekommen hat, angeschaut habe.

Selten einen so doofen und langatmigen und -weiligen Film gesehen! Und mit dieser Meinung stand ich nicht alleine. Fade Dialoge, wenig Licht, viele Standbilder und schlechte Tricksequenzen! Einzige Erkenntnisse sind, daß man in dreißig Jahren wieder Mantel trägt sowie mit Beton baut und Autos zwar fliegen können, aber immer noch Scheinwerfer wie ein 70er-Jahre-Chevy und profane Scheibenwischer haben. Mein sehr geschätzter Freund Harald ist sich jedoch sicher, daß mit den notwendigen Vorkenntnissen ich das filmische Monstermachwerk mit ganz anderen Augen gesehen hätte. Er wird mir demnächst nachträglich eine Einweisung geben. Bin schon sehr gespannt, ob es etwas ändern wird!

 „Nach dem Krieg um sechs im Kelch!“, äh, „am Tannhäuser Torentor“ meine ich natürlich.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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wolfsgeheul.eu vom 11.06.2017

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„Wenn ich bezahlt habe, bleibe ich auch bis zum Schluß!“

Wer sich auf diese Weise zu Wort meldet(s. Kolumne vom 02.03.2016) und gerade nicht aufsteht und geht, äußert ebenso Kritik wie die, die – ob schweigend oder protestierend – den Saal verlassen. Bei beiden Varianten frißt man seinen Unmut nicht in sich hinein, sondern macht seinem Herzen Luft. Mag es auch unhöflich sein bzw. schlechtes Benehmen darstellen, bei echten Zumutungen ist es ein probates Mittel, nicht kritiklos zu verharren, wie viele der schweigenden Mehrheit. Und in einer freien Gesellschaft müssen die, denen das Dargebotene warum auch immer gefällt, solche Störungen genauso wie die Künstler, die zumeist keine Verantwortung für das Stück tragen, aushalten können. Wenn es berechtigte Kritik an den Ausführenden ist, gilt das erst recht. Das Recht auf freie Meinungsäußerung macht unsere Welt lebendig. Kontroversen können und müssen gepflegt werden und bringen etwas in Bewegung.

Neulich habe ich mich diesbezüglich aber selbst überrascht und wahrlich enttäuscht. In Frankfurt war ich zu einer sogenannten Perfomance im Mousonturm, bei der ich überhaupt keine Ahnung hatte, auf was ich mich einließ. Es sollte mit Ton und Tanz sein, und auf einem Bild sah man verschwommen eine weißgekleidete Frau hinter einem Wasserbecken. „Weiße Frau“ klang gut und hoffnungvoll.

Etwa vierzig Besucher jeden Alters wurden in einen stuhllosen rechteckigen schwarzen Studioraum geführt, dessen Mitte von einem mit ebenfalls schwarzen Planen umbauten großen Wasserbassin beherrscht wurde. Die meisten setzen sich um das Becken auf den Boden, einige lehnten sich an die Wand. Der Beginn bestand in gefühlt zehn Minuten Stille im Stockdunklen. Dann begann es mehr oder minder ohrenbetäubend aus zum Teil mit den extremen Bässen überforderten Boxen zu lärmen. Es erinnerte überwiegend an Bahngeräusche. Nach weiteren circa zehn quälenden Minuten erschien aus dem Nichts ein Mann im – natürlich! – schwarzen Trikot, tanzte um und durch den Pool und deklamierte – obendrein schlecht – sinnfreie Texte. Das ganze dauerte eine Ewigkeit und hinterließ einzig Ratlosigkeit. Abgelöst wurde er von einem zweiten, gleichgewandeten Mann, der sich wortlos durch die Szene bewegte. Nach einer guten Stunde war Schluß, ohne daß die weiße Frau – war wahrscheinlich nur die Urheberin des tollen Stückes – erschienen oder so etwas ähnliches wie Musik erklungen wäre. Höflicher Applaus und schneller Abgang. Fazit: Das war – und das dürfte fast unstreitig sein – eine geradezu unverschämte Zumutung ohne jedwede Qualität. Ein verlorener Kulturbesuch!

Und keiner hat protestiert, keiner ist vorzeitig gegangen. Eigentlich war ich aber schon bei der Eingangsstille wildentschlossen, zu gehen, und dieser Drang verstärkte sich eher exponentiell mit fortschreitender Enttäuschung. Als Banause bin ich allerdings zuzugeben bereit, daß mich vielleicht nur die Hoffnung auf eine Frau im engen weißen Trikot vom Verlassen des Raumes abgehalten hat. Erstaunlich bleibt aber trotzdem, daß in einer kulturbeflissenen  Stadt wie Frankfurt vierzig Menschen es wie die Schafe vollkommen kritiklos haben über sich ergehen lassen.

Es steht zu befürchten, daß in unserer Gesellschaft etwas verloren zu gehen droht. Die Menschen trauen sich nicht mehr! Vor Jahrzehnten gerade in der Stadt der Studentenrevolte undenkbar! Vielleicht ist das schon eine Folge der politischen Korrektheit, bei der es ein ähnliches Phänomen gibt. So etwas wie eine „Over Political Correctness“! Um nicht in die Gefahr zu geraten, abseits zu stehen, fehlt der Mut zum Widerspruch umsomehr. Keiner bricht aus. Und so verstärkt sich die Political Correctness von selbst, da es für die Beteiligten eine dominante Strategie – wozu der Durchschnitt neigt – darstellt, immer noch politisch korrekter zu werden. Und auf gleiche Weise können sich Minderleister produzieren, ohne daß sie vom Publikum abgestraft werden.

Um dieser unseligen Entwicklung nicht auch noch Vorschub zu leisten, steht mein Entschluß fest: Beim nächsten Mal stehe ich auf und gehe. Selbst wenn ich bezahlt habe.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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