Anläßlich einer dienstlichen und privaten Reise über Frankfurt a. M., Chemnitz, Dresden und Cottbus hatte ich heute die Freude, einen Termin am Landgericht Cottbus wahrzunehmen. Kurz zuvor hatte ich irgendwo ein Bild der neuen Universitätsbibliothek in Cottbus gesehen und mir vorgenommen, wenn es der zeitliche Ablauf erlauben sollte, dieser einen Besuch abzustatten. Das Zeitfenster hat sich ergeben, und ich muß sagen, ich war begeistert und ein wenig peinlich berührt. Schon vor mehr als zehn Jahren nämlich – ich hätte also schon viel früher Kenntnis davon nehmen und anläßlich anderer Termine einen Besuch dort abstatten können – nach einem Entwurf von Herzog & de Meuron errichtet, steht der Doppelglaskörper mit seinen Rundungen wie eine uneinnehmbare Burg auf einer künstlichen Minianhöhe im ansonsten platten Land, auf dem Cottbus sich ausbreitet. Die vorgehängte Fassade aus Glasscheiben ist über und über mit kryptischen, matten, ineinander verwobenen Zeichen beätzt, innen domieren an Boden und Wänden giftiges Grün und Hellviolett, eine ruhig-verwegene Wendeltreppe, moderne Möbel u. a. von Eames, Leseräume zum Teil über zwei Etagen hoch mit zeitgemäßen Lüsterinterpretationen, kurzum ein Festschmaus für die Sinne, immer durch die bodentiefe Verglasung in gedämpftem direktem Kontakt mit dem Außen. Was für grandiose Arbeitsbedingungen!
Dererlei Beispiele großartiger, geglückter Architektur gibt es naturgemäß – nach der Wende war der Bedarf an Veränderung, Erweiterung und Neubau hoch – sehr viele in Ostdeutschland! Denkt man nur an das St. Benno-Gymnasium von Behnisch in Dresden, das staatliche Gymnasium für Hochbegabte St. Afra in Meißen von Friedrich und Partner oder das Musikgymnasium Schloss Belvedere in Weimar von den Kölner Architekten van den Valentyn und Oreyzi. Traumhafte Lern- und Lehrverhältnisse mit großer Funktionalität und Variabilität bei gleichzeitiger Erfüllung hoher Anspüche an ästhetischen Genuß und Einpassung in das Umfeld, welches Rückzugsräume genauso wie Foren bietet und dabei zu freudvollem Dialog und Disput einlädt.
Wissen das die Belehrten und Lehrenden eigentlich zu schätzen? Denn vordergründig sind diese Gebäude ja für sie geschaffen und nicht für den reisenden Architekturfreund. Hieran habe ich manchmal meine Zweifel. Könnte man also sagen, es reichte auch der profane Zweckbau für die Masse der Uninteressierten? Niemals! Erstens werden solche Räume niemanden gänzlich kalt lassen und zweitens reicht es, wenn sich einige durch sie besonders inspirieren lassen. Von der Bereicherung das Stadtbildes einmal ganz zu schweigen! Der Beantwortung der Frage also, ob die Cottbusser Studiosi beglückt sind, ihren Lesehunger in einem lebendigen Vorläufer der Elbphilharmonie stillen zu dürfen, ist meines Erachtens obsolet. Der Genuß kommt hoffentlich beim Essen.
Gute Nacht!
Ihr/Euer Wolf
P.S.: Der neue EZB-Doppelturm in Ffm. von Coop Himmelb(l)au ist auch eine Reise wert!