wolfsgeheul.eu vom 23.11.2015

0
0

Die Beisetzung Helmut Schmidts wurde heute mit einem vom Bundespräsidenten angeordneten Staatsakt im und vor dem Hamburger Michel eingeleitet. Die Verquickung von kirchlicher Trauerfeier und staatlichem Akt wird nur wenigen Menschen zuteil. Helmut Schmidt hat wie kaum ein anderer diese Form der Ehrung verdient. Im übrigen war es genau so wohl der Wunsch des Verstorbenen.

Bei aller Eitelkeit, die Schmidt gewiß zueigen war, glänzte er immer auch mit einer angenehmen, sprich nicht puritanischen, Bescheidenheit. Insofern sind durchaus Zweifel angebracht, daß er sich selbst tatsächlich als würdig sah, mit soviel Tamtam unter die Erde zu kommen.  Außerdem werden nicht alle Gäste – aber zum Beispiel ehemalige Bundespräsidenten gehören nun einmal eingeladen – in seinem Sinne gewesen sein. Ebenso kann man angesichts des am 12. November 2015 im Feuilleton der FAZ abgedruckten, bis dato unveröffentlichten, lesenswerten Interviews aus dem Jahre 2011 nicht sicher sein, daß er tatsächlich noch an Gott glaubte, und ein bedingungsloser Anhänger seiner Kirche war er bestimmt nicht.

Aber Schmidt war ein Fuchs. Denn, was wäre die Kultur des Abendlandes in westlichen Demokratien ohne Trauergottesdienste und Staatsakte zu Ehren großer Persönlichkeiten! Deshalb wage ich die Behauptung, daß es Helmut Schmidt weniger um sich selbst ging, als vielmehr bis in seinen Tod um unseren Staat, der heute leider viel zu selten sich erlaubt, beeindruckend in Erscheinung zu treten. Es wäre fahrlässig und unklug gewesen, diese seltene Chance ungenutzt verstreichen zu lassen, und vielleicht bewirkt eine solche Demonstration der besonderen Art sogar mehr, als zum Beispiel die richtige, gute und gutgemeinte Ruckrede unseres sehr respektablen Alt-Bundespräsidenten Herzog!? Unsere Kinder kennen doch, wenn überhaupt, nur Rituale wie den Großen Zapfenstreich, der beginnend mit Schröder, über zu Guttenberg und Wulff durch populäre Musikauswahl traurigerweise zunehmend entwertet worden ist.

Was für eine wohltuende Veranstaltung war dagegen die heutige. Mit Bach, Pachelbel, Claudius und Mundart, mit Geistesgrößen und Politikern aus aller Welt und aller Couleur, mit der Nationalhymne und mit einem beeindruckenden militärischen Ehrengeleit. Der wehrhafte, zusammenhaltende Staat flankiert von der Kirche, einer 2000-köpfigen, hochkarätigen Trauergemeinde und zehntausenden Bürgern, die für Helmut Schmidt auf seinem letzten Weg Spalier standen. Ein großartiges Zeichen an unsere teilweise verwirrte Jugend, an den abtrünnigen Teil unserer Bevölkerung, an unsere Migranten und Gäste und ganz besonders an die Terroristen, die hoffentlich fälschlicherweise glauben, sie könnten uns aus der Bahn werfen.

Vielen Dank, Helmut Schmidt! Sie haben uns ein Fanal geschenkt, welches wir brauchten und das stolz in die Welt hinaus strahlt. Nicht nur die Lebensleistung dieses Mannes hat Deutschland geholfen, sondern auch sein Tod. Gäbe es nur mehr seines Kalibers! Stattdessen gilt leider: Der Mond ist aufgegangen, und wen’ger Sternlein prangen!

Mögen sich alle auf das Gelassenheitsgebet besinnen, welches in St. Michaelis auf speziellen Wunsch des Verstorbenen zu Gehör gebracht wurde:

„Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“

Amen!

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

 

0
0

wolfsgeheul.eu vom 23.10.2015

0
0

Neulich habe ich einen älteren Mann beobachtet, der nach dem umständlichen Parkieren seines betagten, ungepflegten Geländewagens, den sicherlich niemand auf die Idee käme zu stehlen, geschätzt mehr als zehnmal zurückgegangen ist, um zu überprüfen, ob der Wagen richtig abgesperrt war. Der Kölner sagt jetzt, der habe halt „ne Ratsch am Kappes“, also eine Meise, und sicherlich spricht vieles dafür, daß das gezeigte Maß an Kontrollmanie statt einer kleinen Macke eine ausgewachsene Verhaltenseigenheit pathologischer Ausprägung darstellt.

Zwangsverhaltensweisen haben aber sehr oft auch Züge eines Aberglaubens, der sich zum Beispiel in der besonderen und immer gleichen Anzahl von gleichen Handlungen manifestiert. Abergläubische Rituale sind dabei zumeist frei vom Verdacht, krankhaft zu sein, und im übrigen und/oder gerade deshalb besteht eine volle gesellschaftliche Akzeptanz, die obendrein aus der allgemeinen Verbreitung resultiert.

Was aber ist Aberglaube? Die These, daß der, der nicht glaubt, abergläubisch ist, wird nicht widerlegt, gleichwohl doch zumindest relativiert dadurch, daß jeder auch gläubige Menschen kennt, die ebenfalls auf Holz klopfen oder ähnliche Eigenheiten pflegen. Wahrscheinlich gehört dieses Phänomen aber lediglich unter das Motto, daß doppelt gemoppelt besser hält. Und in gewisser Weise ist es wahrlich eine Doppelgläubigkeit.

Deshalb wage ich trotzdem die Behauptung, daß, wer glaubt, nicht mehr abergläubig ist und sein muß, weil es des Aberglaubens nicht mehr bedarf. Gottvertrauen ersetzt die kultischen Handlungen, macht sie überflüssig. Das dreimalige Klopfen auf Holz ist damit nichts anderes als das Gebet eines Gottesgläubigen, in dem er sich Glück, Gesundheit, Erfolg etc. für sich und die seinen erbittet. Das bedeutet, daß Aberglaube nur eine andere Form des Glaubens, eine Übergangsform ist, quasi die Ersatzdroge, und daß die Menschen sich so oder so aus ihrer eigenen tatsächlichen wie intellektuellen Begrenztheit und Hilflosigkeit heraus an eine übergeordnete Macht wenden, an die sie glauben müssen, ansonsten es keinen Sinn ergäbe, sie anzurufen. Es sind nicht verirrte, sondern nur verwirrte Gottgläubige. Das gilt auf jeden Fall für bekennende Agnostiker, eventuell jedoch nicht für Atheisten, dies aber wohl nur dann, wenn letztere aus echter Überzeugung auch keine abergläubischen Rituale pflegen. Der abergläubige Atheist ist demnach insofern gar keiner, denn er leugnet zwar angeblich Gott, pflegt aber Umgang mit der Götze „Aberglaube“, was einander bei konsequenter atheistischer Einstellung ausschließen müßte.

Vorstehende Gedanken entspringen eigenem Erleben und eigener Erfahrung. Gottgläubig war ich bis vor knapp vier Jahren nicht, aber immer irgendwie abergläubig. Auf Holz habe ich geklopft, gewisse Zahlen hatten bei mir eine Bedeutung, unter Leitern bin ich möglichst nicht hindurchgegangen etc.. Auch beim Anblick einer schwarzen Katze hat es mich leicht durchzuckt, es kam mir allerdings beruhigend zugute, daß ich mir nie merken konnte, von wo nach wo sie schleichen müssen, damit es das eine oder andere bedeutet. Und meine Kinder sind auf Autofahrten und Wanderungen mit dem Gruß der Schafe zur Linken – lassen das Glück dir winken – bzw. einer abweisenden Geste zu Schafen zur Rechten – bringen alles zum Schlechten – aufgewachsen und vielleicht auch genervt worden. Darüberhinaus habe ich durchaus auch Kontrollrituale  beim Verlassen der Wohnung oder des Autos gepflegt, die den Charakter von Aberglauben besaßen, weil sie mir Sicherheit bzw. Schutz vermittelten und ein Unterlassen oder Vergessen ein leicht unangenehmes Gefühl verursachte.

Davon bin ich nun geheilt. Und zwar von dem Moment an, als ich mich zum Glauben bekannt habe. Das ist zwar nur ein Nebeneffekt, aber ein durchaus beachtlicher, beweist er doch, daß Gottesglaube sicherer und lockerer macht. Ich jedenfalls vermisse nicht nur nichts, sondern betrachte diesen vermeintlichen Nebeneffekt, der wahrscheinlich eine viel maßgeblichere Bedeutung hat, als merklichen Gewinn an Lebensqualität.

Und was bedeutet jetzt das Sichbekreuzigen vor einem Kruzifix? Na, es kann doch keinen Aberglauben im Glauben geben, oder!?

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

 

0
0