wolfsgeheul.eu vom 16.06.2015

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Ende vergangener Woche war ich bei einem Heavy-Metal-Konzert. Jeder, der mich kennt, weiß, daß das nicht zwingend meine Welt ist, wenngleich ich schon sagen muß, daß populäre Unterhaltungsmusik mir eigentlich nur dann gut gefällt, wenn sie laut ist, einen guten Leadsänger hat, viel fingerfertigen Gitarrensound versprüht und virtuose Keyboard- und Schlagzeugpassagen enthält. Wie sonst hätten wir The Who, Deep Purple, Led Zeppelin, Yes und vergleichbare Formationen ertragen und mögen können!? Sowohl Robert Plant als auch Rick Wakeman sieht und hört man sogar heute noch gerne. Und selbst mit Punk konnten wir teilweise etwas anfangen, wurde ich doch bei meinem Rencontre mit Vivienne Westwood in der letzten Woche erfreulicherweise erinnert, einmal wieder meine Ian Dury-Platte herauszusuchen.

Beim aktuellen Auftritt handelte es sich nun um eine aufstrebende junge Band, deren Komponist, Gitarrist und Produzent ein sehr netter Student aus meiner Nachbarschaft ist und der mich eingeladen hatte. Der Stil wird mit „Progressive Metal“ anggegeben, was mir nichts sagte, jedoch eher Hochexperimentelles erwarten ließ. Ort des Geschehens war ein Hochbunker in Aachen, den ich bei der Gelegenheit auch in Augenschein nehmen wollte. Der relativ kleine Raum mit Guckkastenbühne beherbergte nach meiner Schätzung maximal einhundert Besucher, die einzigen Alten waren ein Freund von mir, der Vater des Drummern, eine nicht näher zuordenbare ältere Dame und ich.

Die Musik war absolut anhörbar, vielseitig und sehr kundig dargeboten. Die Texte möchte ich in keinster Weise herabwürdigend als etwas tiefsinnigere, englische Schlagerlyrik bezeichnen mit Weltschmerz, jugendlicher Zerissenheit, Liebe und ähnlichem zum Inhalte. So weit, so in Ordnung und fast normal! Unüberhörbar aber produzierten die vier Herren und eine, auch singende, Bassisten in ihrem engen, kleinen Zimmer eine genauso erwartete wie in meinen Augen – oder sollte ich Ohren sagen!? – dazugehörige beachtliche Lautstärke, die ungefiltert die vierte Wand durchbrach und über die Trommelfelle des Publikums herfiel. Es zu ertragen, über sich ergehen zu lassen, ja, zu genießen war für mich Teil der Vereinbarung und machte das Erlebnis rund. Doch dann sah ich die ersten jungen Leute, die übrigens ein ganz normales Spiegelbild der heutigen Jugendvielfalt darboten, eher sogar etwas biederer als erwartet waren, an ihren Ohren nesteln. Und was ich dann erkannte, war eine faustdicke Überraschung. Während wir alten Säcke glaubten, es sei unumgänglich, sich die verbliebene Hörfähigkeit weiter zu ruinieren, trugen fast alle anderen entweder die bekannten gelben Ohrstöpsel oder Papiertaschentuchkügelchen in ihren jungen Ohren. Was für ein Generationsunterschied! Da haben die jungen Leute doch tatsächlich auf ihre Erzeuger, Erzieher und vielfachen ärztlichen Rat im wahrsten Sinne des Wortes gehört und schützen sich freiwillig. Mich hat das bewogen, es ihnen sofort gleichzutun. Und was soll ich sagen, es wurde einerseits erträglich, war aber auf der anderen Seite nur noch der halbe Spaß. Unvernunft hat auch seine schönen Seiten, wenn man die Langzeitschäden außer Acht läßt.

Den neuen Trend sollte die mir fast mafiös erscheinende, sehr gute Lobbyarbeit leistende und am kostenlosen Gesundheitssozialismus kräftig verdienende Hörgeräteindustrie rechtzeitig bedenken. Hat heute nämlich ein lukrativer Prozentsatz meiner Generation – ob es wirklich nötig ist oder nicht, kann man nicht sagen, weil das für die Produzenten, Ärzte und Akustiker, die den Profit im Vordergrund sehen, eigentlich auch keine Rolle spielt und Dinge, die umsonst sind, unabhängig von der Notwendigkeit, gerne in Anspruch genommen werden – schon ein „Kind“ im Ohr, werden unsere Kinder darum hoffentlich viel länger einen großen Bogen machen können. Und wenn man Genuß nur in der gedämpften Variante kennenlernt, vermißt man vielleicht auch nichts. Gegen die sinnvolle Vorbeugung von Hörschäden will ich deshalb überhaupt nichts sagen, es wäre mir nur lieb, nähme die Jugend, wenn es um Politik und ihre Zukunft geht, hier und da einfach einmal die Ohrstöpsel heraus und beteiligte sich am Diskurs.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

 

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wolfsgeheul.eu vom 06.04.2015

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Wie genußvoll es sein kann, nicht konsequent zu sein!

Gerade habe ich den ersten und obendrein deutschen Spargel in diesem Jahr – Saison kann man eben noch nicht sagen – genossen, dazu neue Kartoffeln aus Kreta, angeblichen Parmaschinken vom Discounter mit viel Plastik drumherum und Riesling von Eva Fricke aus dem Rheingau. Spargel und Kartoffeln toll, Schinken in Ordnung und Wein köstlich! Letzterer ist, anläßlich einer Dienstreise im Vorbeikommen erstanden, ökologisch und energetisch wohl garnicht zu beanstanden. Aber der Rest! Den Parmaschinken hätte ich, zwar um einiges teurer aber dafür auch in besserer Qualität, bei der kleinen Metzgerei meines Vertrauens um die Ecke erstehen können. Kunstoffmüll, Öl und Energie gespart, sowie dem Handel geholfen, der genug zu kämpfen hat, und mir geholfen, der ärmer wäre, hätte er das Einkaufserlebnis in einem Familienbetrieb im Viertel nicht mehr! Die Kartoffeln aus Kreta haben sicherlich auch nicht die beste Energiebilanz und wären nicht nötig gewesen, hätte es noch keinen deutschen Spargel gegeben, sind dabei jedoch nicht besser und nicht schlechter als griechischer Spargel, der genauso aufgrund der anderen klimatischen Bedingungen früher reif und gut ist.

Warum aber gab es schon Spargel aus dem nahen Heinsberg? Das Geheimnis des Bauern ist eine Fußbodenheizung. Wie bereits gesagt, ist das Ergebnis aller Ehren wert. Aber ist es richtig? Der Landwirt argumentiert, daß die energetische Bilanz seines Spargels nicht schlechter sei, als die des südländischen inklusive langer Reise. Mag sein!

Was aber unabhängig von aller Ökologiebetrachtung so oder so verloren geht, ist die Demut vor der, auch der kultivierten Natur, die eben nicht jedes Jahr zum selben Zeitpunkt ihre Früchte reifen läßt. Es hatte doch was, zu warten!

Das Leben noch des am wenigsten inkonsequenten Erdenbürgers verläuft jedoch in keinem Bereich völlig geradlinig. Aber man kann wenigstens mit wachen und kritischen Augen durch die Welt gehen und nicht alles menschgeschaffene als gottgegeben hinnehmen. Dinge, die nach Kinderarbeit oder schlechter Behandlung riechen, meide ich schon länger. Ob mir das auch mit dem hiesigen Spargel gelingen wird, vermag ich nicht zu versprechen.

Ein kulinarischer Genuß ist möglicherweise mehr Opfer wert als eine billige Jeans. Es lebe der irrende Mensch, solange er denkt!

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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