Es ist nicht zu verkennen, daß unsere Gesellschaft zunehmend überaltert. Deshalb hat sich bekanntermaßen ein neuer, großer Markt entwickelt, den es früher in dem Umfang nicht gab.
Das merkt man gerade an der Fernsehwerbung in den Öffentlich-Rechtlichen, die in letzter Zeit nicht unwesentlich preiswerter und damit auch für Firmen interessant geworden ist, deren Werbeetat früher nur für die Kleinanzeigen in der Mitgliederzeitschrift „ADAC Motorwelt“ oder der Gratisfernsehbeilage „RTV“ der Tageszeitungen reichte. Insofern werden uns heute vor den Abendnachrichten Treppenlifte und Hörgeräte angeboten. Daß die Kundschaft gerade für letztere vorhanden ist, sieht man jeden Tag auf der Straße, im Museum, im Konzert etc.. Man fragt sich fast, ob die Alten früher alle taub waren. Ich glaube das nicht. Vielmehr scheint mir das verstärkte Angebot die Nachfrage zu steuern. Außerdem werden die Kosten zumeist nicht vom Nutzer, sondern von der Solidargemeinschaft der Krankenversicherten getragen. Umsonst besser hören, kostet ja nichts, ob es tatsächlich notwendig ist oder nicht! Im oft amoralischen Gesundheitswesen lassen sich so schnell horrende Gewinne auf Kosten der Allgemeinheit erzielen. Von Kuren, die der Erhaltung der Erwerbsfähigkeit ursprünglich alleinig dienen sollten, für Rentner will ich hier lieber gar nicht reden. Wo bleiben da Kontrolle und Kritik gerade der Jungen, die die Hauptlast jetzt schon oder zumindest in spe zu tragen haben? Ach, ich vergaß, das sind doch die Kunden der Zukunft, die sich nicht um die Vergünstigungen im Alter bringen wollen.
Dann sind da aber auch die Produkte, wie Schmerzsalben, die meines Wissens nicht von der Krankenkasse unterstützt werden, wegen ihres überschaubaren Preises jedoch trotzdem reißenden Absatz finden. Da kann zumindest in den Werbespots die ältere Frau wieder radeln, die alte Dame vor lauter wiedergewonnener Mobilität ihre einst Ruhe gewohnte Katze nerven und die fette Kuh, die besser abgespeckt hätte, um ihre schmerzenden Gelenke zu entlasten, durch die Anwendung vermeintlich ein Stück Lebensqualität zurückgewinnen, ohne auf die Buttercremetorte verzichten zu müssen.
Unsere tolle Vollkaskogesellschaft! Altersgerechte und/oder selbstverschuldete Einschränkungen werden nicht mehr hingenommen. Da gibt es doch was von Ratiopharm. Früher erfreute man sich an der Vitalität der Enkel und schöpfte aus ihrem Anblick und ihrer Anwesenheit Lebensfreude und Kraft, heute ist man fitter als die Jungen. Man hat ja Zeit, sich nur um sich zu drehen, und die Enkel werden auch rarer. Und statt sich ob des vorhandenen Mehrs an Zeit wenigstens verstärkt ehrenamtlich für die Gesellschaft – auch im Sinne einer Wiedergutmachung der eigenen Fehler – zu engagieren und somit die Jugendlichkeit des Alters sinnvoll und erfüllend einzusetzen, radelt man lieber elektrisch unterstützt, gemeingefährlich durch die Weltgeschichte und reiht Urlaub an Urlaub und Verlustigung an Verlustigung. Armes und tatsächlich eintöniges Leben! Gleichzeitig beschäftigen sie ohne Arg ihre Putzfrauen und Gärtner schwarz, wählen zu allem Überfluß auch noch extrem und hinterlassen eine moralisch verderbte Gesellschaft, so wie sie es in hoher Zahl vorgelebt haben, an der sie also große Mitschuld tragen.
Das ist doppeltes Veragen. Erst brocken uns die neuen Alten durch falsche Entscheidungen und Ignoranz gewaltige Zukunftsprobleme wie Rentenlücke, Marodität der Infrastruktur, schlechtere Bildung etc. ein, und ziehen sich dann auch noch in den gesellschaftlich inaktiven, ansonsten aktiven, obendrein aus ihrer Sicht verdienten Unruhestand zurück, so daß nur noch die Altersindustrie an ihnen verdient. Die Werbung gibt es vor und vollzieht es nach!
Hoffentlich werden wir nicht auch einmal so!
Gute Nacht!
Ihr/Euer Wolf