Letzten Montag hätte „ich mir vor“ Freude und Ergriffenheit „beinahe in die Hose gepinkelt“ – so möchte ich die von der gerade erlebten Oper hingerissene Vivian aus Pretty Woman bei ihrem La traviata-Besuch in der Met sinngemäß zitieren -, als ich das Spiel England gegen Island von Beginn an, also inklusive der Hymnen verfolgt habe.
Der Glaube versetzt Berge, sagt man!
„Oh, Gott unseres Landes! Oh, unseres Landes Gott!
Wir verehren deinen heiligen, heiligen Namen!
Aus den Sonnensystemen der Himmel weben deine Krone
deine Legionen, der Zeiten Versammlung.
Für dich ist ein Tag wie tausend Jahre
und tausend Jahre ein Tag, nicht mehr,
ein Blümchen der Ewigkeit mit zitternden Tränen,
das zu seinem Gott betet und stirbt.
Islands tausend Jahre,
Islands tausend Jahre,
ein Blümchen der Ewigkeit mit zitternden Tränen,
das zu seinem Gott betet und stirbt.“
Im gestrigen Fall versetzte er Inseln und katapultierte England zum zweiten Male innerhalb zweier Tage ins Nichts. Ein Brexit der anderen Art!
Obiger Text stellt laut Wikipedia die deutsche Übersetzung der ersten Strophe der mir neuen und mich ausnehmend bereichernden isländischen Nationalhymne „Lofsöngur“ dar. Im Grobvergleich zur Originalversion erscheint sie stimmiger und besser als andere im Netz verfügbare Versionen, wobei allerdings zum Beispiel „Heerscharen“ treffender als „Legionen“ sein dürfte. Wer übrigens durch die Begrifflichkeit „tausend Jahr“ ins Stolpern geraten sollte, dem sei gesagt, daß die Uraufführung des Stückes – da war es noch nicht Hymne – im Jahre 1874 den Festgottesdienst zur tausendjährigen Besiedlung Islands musikalisch krönte. Das erklärt auch die gänsehautverursachende Erhabenheit der Musik(Link: “ www.youtube.com/watch?v=K-owXWv75Yk „). Welch eine Ausnahmeerscheinung unter den bisher vornehmlich zu hörenden Hymnen! Himmelschöre besingen wunderbar melodisch und durchaus dramatisch aber lebensbejahend, weil liebevoll die Hilflosigkeit des kleinen Menschen in der großen Welt. Wer auf einer meerumtosten Vulkaninsel lebt, weiß eben noch um seinen tatsächlichen Status auf diesem Planeten. Er ist wahrscheinlich automatisch gottesfürchtig, weil ihm seine Unterlegenheit gegenüber den Naturgewalten allgegenwärtig ist.
Es gibt also drei sehr gute Gründe, den Isländern zu wünschen, daß sie es bis ins Finale der Europameisterschaft schaffen, wenngleich ich zugeben möchte, daß es gleichzeitig schmerzlich wäre, weil dann bereits im Viertelfinale der Gastgeber weichen müßte, dem nach den schweren Zeiten durchaus auch ein Sieg zu gönnen wäre. Zuerst sind da die wunderbaren, friedlichen Fans zu nennen. Sodann wünscht man dem sympathischen Land sicherlich auch deshalb alles erdenklich Gute, weil es eine krasse Außenseiterposition so eindrucksvoll bekleidet. Und letztlich hoffe ich sehnlichst darauf, diese wunderbare Nationalhymne und ihre ehrfürchtige, demütige und wohltuenderweise einmal nicht überhebliche oder gar kriegerische (Gottes-)Botschaft noch dreimal hören zu dürfen. Wenn Deutschland allerdings das Finale erreichen sollte, wäre es mein innigster Wunsch, Zeuge zu werden, wie fair und phantastisch sich die gläubigen Vertreter der Insel in der Niederlage verhalten können.
Gute Nacht!
Ihr/Euer Wolf
P. S.: Kotzen könnte ich! Liebe meine Kolumne lesende Unternehmer, ergetzt Euch am Fußball oder besseren Wetter und vermeidet das Verfolgen der Nachrichten! Heute hat die sogenannte Mindestlohnkommission der Großen Koalition das nächste vorelektive Wahlgeschenk gemacht und die Erhöhung des Mindestlohns für 2017 von 8,50 Euro auf 8,84 Euro beschlossen, was einer Steigerung von 4 Prozent entspricht. Aber, keine Sorge: Das holt die Wirtschaft doch locker über Gewinne und/oder Dividendenrenditen wieder rein und es entspricht ja im übrigen auch lediglich dem aktuellen Zinssatz auf Sparguthaben, oder!?