Die Wortakrobaten und Sprüchezauberer der „Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung“ sind so erfrischend kreativ, daß ich das Thema meiner Kolumne vom 05.03.2015 noch einmal aufgreifen muß. Was die rund 150 Mitarbeiter dieser Bundesoberbehörde so produzieren, läßt sicherlich jede regionale Werbeagentur mit bis zu zwei schöpferischen Köpfen vor Neid erblassen. Das beginnt schon bei der vorab mutmaßlich sorgfältig, wissenschaftlich abgeklärten Grundsatzfrage, wie wirkungsvoll die Warnhinweise auf Tabakprodukten sind. Offenbar sieht die Wissenschaft nämlich überwiegend den Effekt bei null, einige vermuten sogar eine gegenteilige Wirkung. Da macht die aus unseren Steuern bezahlte, sichere Arbeit doch gleich doppelt soviel Spaß, wenn man praktisch keinen Schaden anrichten kann. Außerdem weiß man sich mit der EU in bester Gesellschaft, und die macht ja mit ihren Spitzenbeamten bekanntlich nichts Sinnloses oder Aktionistisches. Und weil man der alten Standards wie „Rauchen kann tödlich sein“ verständlicherweise überdrüssig ist, fühlen sich die geistreichen Beamten augenscheinlich herausgefordert, witziger zu werden und zum tieferen Nachdenken anzuregen.
„Rauchen erhöht das Risiko zu erblinden“! In Deutschland beträgt die Zahl der blinden Menschen wohl um die 200.000, der Anteil demnach weniger als 0,3 Prozent. Dieser Wert hat sich in den letzten Jahren nur sehr moderat nach oben verändert. Selbst wenn man unterstellt, daß Rauchen späteres Erblinden fördert, bewegen wir uns in Wahrscheinlichkeitsbereichen, die irrelevant sind und den Raucher, solange er noch lesen kann – danach ist es eh egal -, eher nicht abschrecken werden. Liebe BZgA, das läßt sich aber noch steigern, und ich helfe gerne. Angesichts der Verbote verbringt der Süchtige seine Rauchpause viel häufiger im Freien. Also: „Rauchen erhöht die Gefahr, von einem Meteoriten erschlagen zu werden“!
Bis dahin halten die Warner auch folgenden Hinweis für sinnvoll: „Rauchen verursacht Schlaganfälle und Behinderungen“! Zunächst frage ich mich, ob es überhaupt noch erlaubt ist, von Behinderung zu sprechen. Wir wissen aber, was gemeint ist. Der Spruch ist dagegen kryptisch. Welches Handicap verursacht denn das Rauchen genauso direkt wie es Schlaganfälle verursacht? Fallen unmittelbar Arme und Beine aus, und zeigen sich unvermittelt Lähmungen und Spastiken? Wacht man morgens auf und sieht einen Rollstuhl am Bett stehen. Da fragen wir wohl besser unseren Arzt oder Apotheker und unterschreiben vorsorglich schon einmal einen Vorvertrag bei der Treppenliftmafia.
Auf ein Letztes! „Das Rauchen aufgeben – für Ihre Lieben weiterleben.“! Auch ein großartiger Ansatz, wenn man die Rente außer Betracht läßt. Nur dürfte die abschreckende Wirkung sich ebenfalls in Grenzen halten. Viele Raucher in unserer leider zunehmend kinderlosen Hochzeit der Singles haben gar keine „Lieben“. Für die anderen aber ist die Relation vielleicht gar nicht so verkehrt. Man hätte ja auch „- damit die Bande nicht zu früh erbt.“ oder „- denn den Gefallen, früh zu sterben, tue ich meinen „Lieben“ nicht.“ formulieren können. Die BZgA geht jedoch viel subtiler vor, spricht nämlich den Trotz und nicht die wahren Gefühle an. Wissend also, daß die wenigsten es ihren Lieben zuliebe täten, lenken sie gleichwohl den Fokus auf diese und zeigen dem Raucher so indirekt eine sehr gute Möglichkeit auf, wie er sie so richtig ärgern kann. Das dürfte seine Wirkung vielleicht doch nicht verfehlen. Auch mit dieser Methode kann man aber noch zulegen. Wie wäre es mit „Rauchen stört Ihre Umwelt.“! Das erhöhte aus meiner Sicht durchaus die Wahrscheinlichkeit, daß uns genügend gemütliche, genießerische und nachdenkliche Raucher erhalten bleiben und das Leben nicht immer profaner wird.
Auf, auf, ihr humorlosen Puritaner, es gibt noch viel zu tun. Mein Angebot steht: Im Zweifel immer mich fragen! Und morgen schaue ich als erstes nach dem Aufwachen neben mein Bett.
Gute Nacht!
Ihr/Euer Wolf