wolfsgeheul.eu vom 21.09.2016

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Ein Testbericht: Der Kauf einer Wintermantel-Uhr will wohl bedacht sein.

„Ein Auto, das nicht fährt, das ist sein Geld nicht wert.“ sang der unvergleichliche Fredl Fesl in seinem „Anlass-Jodler“ aus dem Jahre 1978. Recht hat er. Selbst das schönste Automobil büßt nahezu gänzlich an Attraktivität ein, wenn es herumsteht und nur Platz in Anspruch nimmt. Noch schlimmer ist es dann, wenn man auf Mobilität angewiesen von einem solchen immobilen Blechhaufen geradezu verhöhnt wird. So dürften die Fahrer von gasgetriebenen VW-Autos sich fühlen, denen die ohnehin wenigen Spezialtankstellen wegen des aktuell explodierten Exemplares zur Zeit die Zufahrt verwehren.

Ganz anders sieht es bei einer Wanduhr aus, die, auch wenn sie nicht mehr ticken will, immer noch einen gewissen optischen Charme im Raume versprüht. Allerdings kann es enorm irritierend sein, denn man gewöhnt sich nicht endgültig daran, auf ihr nicht die korrekte Zeit angezeigt zu bekommen, und so geschieht es immer wieder, daß man von ihr genarrt wird. Sie tut nichts mehr, hat aber dennoch Einfluß auf ihren Betrachter. Im Zeitalter der Elektronik, ist man entwöhnt davon, daß irgendetwas nur läuft, wenn man es pflegt, sprich bei mechanischen Uhren zuallererst sie regelmäßig aufzieht. Aber das reicht nicht immer aus.

Im Moment habe ich zwei Zeitmesser, die mich ärgern. Das Replikat einer bildhübschen, runden, großen Mauthe-Uhr mit Glasdeckel ist eine davon und müßte wahrscheinlich einfach nur einmal gereinigt werden. Sie zeigt konstant sieben Minuten nach Sieben an. Je nachdem, wann man auf sie schaut, ist das entweder zu früh oder zu spät. Hier muß dringend etwas geschehen. Es liegt einzig bei mir.

Beim zweiten liegt der Fall etwas anders. Hierbei handelt es sich um ein winziges Pendelührchen mit echtem Emaille-Zifferblatt, welches auf den Schwarzwälder Namen Wintermantel hört und theoretisch nach Vollaufzug ein sogenannter Wochenläufer ist. Wenn sie denn überhaupt läuft! Sie ist eine Zicke von Beginn an. Ohne eine exakte Ausrichtung an der Wand in meiner Küche in Bezug auf Lotrechtheit und Neigung nimmt sie ihren Dienst erst gar nicht auf bzw. stellt ihn unverzüglich wieder ein. Und weil man mit jedem Aufziehen die Lage unweigerlich  verändert, entwickelt es sich danach zum Glücksfall, ob man die ihr kommode Position wieder trifft oder nicht.

Da man oft zuwenig Zeit und insbesondere Muße hat, läßt man sich permanent von ihr auf der Nase herumtanzen und unterwirft sich demütig ihrem jeweiligen Willen oder – was leider häufiger vorkommt – Unwillen. So steht die kleine prätentiöse Diva seit Jahren fast mehr als sie tickt. Und trotzdem macht die unartige Göre irgendwie Spaß. Sie ist so hübsch und man muß ihr permanent seine volle Aufmerksamkeit widmen. Und im Gegensatz zu einer flatterhaften Frau bleibt sie wenigstens stoisch und treu an ihrem Platz, entscheidet allerdings über ihre sonstigen Aktivitäten absolut eigenständig und nahezu unberechenbar. Irgendwie liebenswert und wie ein Lebewesen mit eigenem Willen. Tatsächlich möchte ich sie nicht missen und würde sie noch einmal erwerben.

„Ein Ührchen, das nicht tickt, macht mich total verrückt.“!

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

P. S.: Im Moment gefällt es meinem eigensinnigem Küchenmädchen übrigens, ihr Pendelbeinchen kokett zu schwingen und die richtige Zeit anzuzeigen. Wenn ich morgen in der Früh‘ meine Espressomaschine anschalten werde, könnte das fröhliche Tänzchen trotz geladenen Federhauses schon wieder erlahmt sein. Wie spannend es mit seelenvollen mechanischen Geräten doch sein kann, die ein Eigenleben haben!

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wolfsgeheul.eu vom 12.02.2016

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Verkehrte Welt!

Schauen wir nicht auf die Völkerwanderungen und deren Gründe in der Erdgeschichte, schauen wir einfach kurz zurück! Der nach 1945 in Deutschland Geborene kennt nur Frieden und Wohlstand. Im Rest der Welt herrschen derweil vielfach Krieg, Hunger, Umweltverwüstung, Armut, Diktatorenwillkür, Folter, Unrecht, Kinderarbeit, Lohnsklaverei etc., während wir es uns mit den dort gewonnenen Rohstoffen und (Billig-)Produkten gutgehen lassen. Wie konnte und kann angesichts dieses Ungleichgewichtes, dieser Ungerechtigkeit jemals ein vernünftiger Mensch davon ausgehen, daß dieses System auf Dauer streßfrei funktioniert und Umverteilungskämpfe ausbleiben!? Und obendrein ist unsere Prosperität selbst häufig auf Sand gebaut, sie lebt maßgeblich von Börsenillusionen und staatlichen Gelddruckmaschinen. Kein privater Haushalt, kein kleiner Handwerker oder Selbständiger wäre in der Lage, über längere Zeit nichts als Verluste zu produzieren; marktführende Unternehmen, aber auch große Startups, dagegen überleben damit prächtig und werden sogar hofiert und gestützt. Kein Wissenschaftler, speziell kein Ökonom kann diese Scheinwelt ausreichend erfassen und erklären, geschweige denn gesicherte Prognosen über die Zukunft abgeben. Jeder normale Mensch hätte schon längst seine Glaubwürdigkeit verloren, würde er nahezu täglich seine Meinung ändern und neue, sich oft fröhlich widersprechende und immer unzureichende Thesen verbreiten. Professores, Politiker, Statistiker und Journalisten tuen aber genau das Tag für Tag. Konstanten im Großen gibt es praktisch nicht. Verläßlich ist nur das stetig Neue, ohne daß sich dabei Maßgebliches an der Grundstruktur veränderte. Der Patient „Erde“ wird nicht geheilt, sondern nur regelmäßig neu verbunden, ohne aber vorher die Wunden wenigstens zu reinigen, nein, es wird lediglich ein frischer Verband auf den alten, dreckigen, blutigen und eitrigen draufgepackt. Die Welt, ein immer unbeweglicher werdendes Michelin-Männchen mit gärenden Wunden, das irgendwann zu ersticken oder zu platzen droht!

In dieser unübersichtlichen, ja undurchschaubaren Gemengelage kapituliert der gemeine Mensch und richtet sich, so gut es eben geht, ein und sorgt für sein kleines, überschaubares heimisches Umfeld. Den Rest ignoriert er. Eine Kapitulation vor seiner Unfähigkeit, sich auf das Ganze wenigstens einen halbwegs vernünftigen Reim zu machen. So dreht sich die Erde weiter, bis sie irgendwann keine Lust mehr hat, und seine menschlichen Bewohner sind trotz des einen oder anderen Aufbegehrens letztlich zum Zuschauen und Abwarten verdammt. Der Mensch, der glaubte, sich über das Tier erhoben zu haben, wird auf diesen Status zurückgeworfen und zum reinen Passagier, dessen einziges Begehren und Bestreben im Überleben – Fressen, Saufen, Paaren und ein bißchen Spaß – liegt.

Ist das ein düsteres Weltbild? Nicht unbedingt! Vielleicht nur ein realistisches! Und ein Mensch, der sich nicht mehr für die Krönung hält, ist möglicherweise doch bzw. wieder mehr in der Lage, vernünftig zu denken und zu handeln. Bescheidenheit und Demut sind nicht die schlechtesten Voraussetzungen, um sich vermehrt dem wirklich Machbaren zuzuwenden. Obendrein kann der sich zurücknehmende Mensch sich wahrscheinlich viel besser der Definition, Wahrung und Verteidigung von Werten widmen, weil er willens und bereit ist, etwas Höheres, über ihm Stehendes zu akzeptieren. Solange uns also die Philosophen die Seins-Frage nicht schlüssig und endgültig beantworten können, bleiben eigentlich nur die großen Kirchen als im weitesten Sinne Redliche übrig, um diesen Umdenkungsprozeß zu initiieren, zu unterstützen und zu begleiten. Alle anderen – seien es Politiker, Sekten oder ideologische Vereinigungen – verfolgen überwiegend eigene Interessen und sind weder der Achtung des Göttlichen noch dem Wohl des Einzelnen verpflichtet; sie ge- und mißbrauchen das Individuum und lassen es augenblicklich fallen, wenn sie seiner nicht mehr bedürfen. Der Glaubenskampf im Sinne eines Zusammenraufens der Weltreligionen könnte demnach in Wahrheit der einzige Krieg der Ideen sein, bei dem es am Ende um den Menschen und dessen Rettung geht. Die Kirchen sind also nicht nur nicht überflüssig oder gar den Tod bringend, sondern mutmaßlich die letzte Bastion vor dem totalen Chaos und der endgültigen Verwahrlosung. Es ist damit immer aussichtsreich, wenn die Kirchenoberen – wie jetzt bald der russische Patriarch Kirill und Papst Franziskus auf Kuba – sich unterhalten. Die Putins dieser Welt sind nur vordergründig die Hauptpersonen, sie kommen und gehen. Die Kirche und ihre Gläubigen aber bleiben. Sie sind wahre Mächte über alle Zeiten hinweg. Deshalb muß sich der Papst nicht darum scheren, ob sein Gespräch kurzfristig  nebenbei dem aktuellen russischen Diktator nutzt. Er wird ihn als Institution überleben. In der Befriedung und Einigung aller Gläubigen sowie einer grundsätzlichen Rückbesinnung auf den Glauben liegt die wahrscheinlich einzige Chance für eine halbwegs friedliche und lebenswerte Zukunft der Menschen auf Erden.

Wenn der Mensch nicht wissen kann, sollte er wenigstens glauben. Ohne diesen letzten Anker schlingert er hilf- und haltlos auf dem Meer des Undurchschaubaren, wird dabei zum Spielball der jeweiligen Machthaber und final über kurz oder lang vom dunklen Malstrom verschlungen. Die Bereitschaft zum Eingeständnis der eigenen Begrenztheit aber scheint der letzte und alleinige Schlüssel zur Erreichung wenigstens eines Paradieschens auf Erden. In dieser Haltung kann man getroster darauf warten, die Radieschen von unten zu betrachten bzw. eventuell in den Himmel aufzufahren und sein Erdenleben und das der anderen sinnvoll und gemeinnützig zu gestalten. Der Mensch ist nicht in toto gut, geschweige denn besser als die tierische Kreatur, aber er kann das Gute erkennen und wollen. In diesem Sinne

gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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