wolfsgeheul.eu vom 22.05.2015

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Pfingsten steht kurz bevor. Wieder ein rein christliches Fest, das aber trotzdem allen Deutschen zusätzlich einen freien Montag wie zu Ostern beschert. Auch wenn der zweite Feiertag – Weihnachten ist der dritte Fall – zum Teil in der Diskussion steht und bei weitem nicht überall üblich ist, möchte ich ihm seine Berechtigung nicht abstreiten. Eine gut laufende Volkswirtschaft sollte und muß das verkraften können, und in einer Zeit der Ruhelosigkeit sind solche Oasen durchaus zu begrüßen. Daß sehr viele Menschen die Tage nicht zur Besinnung nutzen, sondern sich bis zur Besinnungslosigkeit in die Feiertagshektik und Autobahnstaus stürzen, steht auf einem anderen Blatt. Auch bin ich froh, daß die meisten unserer Feiertage einen christlichen Hintergrund und Anlaß haben, stehen wir doch damit in der Tradition unserer christlich-abendländischen Kultur. Aber wem bedeutet das überhaupt noch etwas?

Für die alten Bundesländer stellt sich die Frage noch nicht, zieht man – auch wenn wir um den nicht unbeachtlichen Schwund gerade in den letzten Jahren wissen – die Zahlen laut Zensus 2011 heran. Mit Ausnahme von Bremen und Hamburg liegt der Anteil der Bevölkerung, die entweder katholisch oder evangelisch sind, zwischen knapp 70 und über 80 Prozent. Hinzu kommen noch zwischen 3 und 10 Prozent, die muslimischen Glaubens sind.

Dramatisch anders gestaltet sich das in den neuen Bundesländern. Muslime liegen unter der Zählgrenze und der evangelischen oder katholischen Kirche gehören lediglich rund 20(Brandenburg) bis gut 30(Thüringen) Prozent an, wobei die meisten davon evangelischen Glaubens sind, während in Westdeutschland die Katholiken, also Mitglieder der „einzig wahren Kirche“(sic) überwiegen. Wenn also der genauso langweilige wie menschenverachtende Kommunismus, der ansonsten nahezu nichts Gutes geschaffen hat, eines nach dem Krieg auf dem gut vorbereiteten Naziboden erreichen konnte, dann war das die flächendeckende Entchristianisierung seiner Bevölkerung. Und daß ihm das nachhaltig gelungen ist, zeigt die Tatsache, daß auch 25 Jahre nach der Wende keine massenhaften Wiedereintritte im Osten zu verzeichnen sind. Interessant ist aber dabei, daß das kommunistische Schweinesystem in der DDR die kirchlichen Feiertage trotzdem überwiegend unangetastet gelassen hat. Welch‘ Heuchelei und Rosinenpickerei! Der DDR-Bürger mußte sich also (leider) nach der Wiedervereinigung nicht umgewöhnen und mit der Bedeutung ihm vorher unbekannter Feiertage auseinandersetzen. Er konnte durchgehend an diesen freien Tagen im Unterhemd vor seiner Datsche sitzen, Bier trinken und den Lieben Gott im wahrsten Sinne des Wortes einen guten Mann sein lassen. Eine Rückbesinnung auf christlich-abendländische Werte muß und kann dabei nicht erfolgen. Das ist traurig, denn gerade da hätte die durch den Kommunismus deformierte und geschädigte Seele wachsen und zu alter Qualität zurückfinden können, auch und gerade um Toleranz, Nächstenliebe – das ist nämlich etwas völlig anderes als Nachbarschaftshilfe! – und Liberalität wiederzuerlernen, die solche Erscheinungen wie Pegida vielleicht gar nicht erst hätten aufkommen lassen. Eine kaum vorhandene Chance, die obendrein vertan wurde, weil es nicht gelungen ist, den vornehmlich – und wer wollte da von außen kommend den Zeigefinger heben – nach Reisefreiheit und Konsum strebenden Ostdeutschen gleichzeitig Wichtigeres und Nachhalteriges nahezubringen. Ein Versagen auch der Kirchen, wobei das teilweise erklärbar scheint, wenn man bedenkt, daß sie unter dem DDR-Regime ein stilles, geduldetes Leben zu führen gezwungen waren und sich auf diese Art fast in Sektenmanier zusammenschweißen mußten, was sie auch nach der Wende nicht abgelegt haben, es vielleicht auch nicht so schnell konnten und damit bedauerlicherweise nicht den Eindruck zum Empfang offener Arme vermittelt haben. Aber steter Tropfen höhlt den Stein, und die Katholische Kirche hat gerade zuletzt mit Leipzig – ganz wichtig nach der evangelischen Halbherzigkeit, die sich gegen die Altkommunisten und Atheisten in der Universität nicht durchsetzen konnte und eventuell sogar wollte, mit der Causa „Paulinerkirche“ – einen beeindruckenden Kirchenbau den Bürgern vor die Nase gestellt, der hoffentlich à la longue seine Wirkung nicht verfehlen wird. Es dauert eben länger, verbrannte Erde wieder urbar zu machen. Und der Heilige Geist könnte sein übriges tun.

In diesem Sinne wünsche ich frohe Pfingsten!

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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wolfsgeheul.eu vom 12.05.2015

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Zu meiner Kolumne vom 29.04.2015 finden sich leider quasi täglich neue Beweise. Heute konnte ich auf einer Autofahrt im ansonsten durchaus noch vorbildlichen „Mittagsmagazin“ auf WDR 2 folgendes hören: “ Nach Informationen der WDR-Wirtschaftsredaktion zufolge…….“. Doppelt gemoppelt hält nicht immer besser, was es verspricht. Es war aber leider kein Versprecher in einem Live-Gespräch, sondern ein gesprochener Kommentar. Man hätte es besser wissen und machen können.

Aber etwas anderes ist mir wichtiger. Auf Seite eins des heutigen Feuilletons der FAZ versucht der 84-jährige Ex-Bundesverfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde – ein namhafter deutscher Jurist und als SPD-Mitglied über die Partei in das BVerfG gesegelt – die DDR von der in meinen Augen absolut korrekten und berechtigten Bezeichnung als „Unrechtsstaat“ lax gesagt reinzuwaschen. Der Artikel sei zur Lektüre empfohlen, da ich ihn nicht vollständig zitieren kann.

Ausgangspunkt des Autors ist eine Standarddefinition des deutschen Rechtsphilosophen Friedrich Julius Stahl(1802-1861), die wie folgt lautet:“Der Staat soll Rechtsstaat sein; er soll die Bahnen und Grenzen seiner Wirksamkeit wie die freie Sphäre seiner Bürger in der Weise des Rechts genau bestimmen und unverbrüchlich sichern.“. Hier käme zur Entlastung der DDR vom Vorwurf des Unrechtsstaates nur die Möglichkeit in Frage, zu unterstellen, daß die DDR keinerlei Bürgerfreiheiten zugestanden hätte, die sie dann auch nicht unverbrüchlich hätte sichern müssen. Das will aber noch nicht einmal ich behaupten. Außerdem sieht Stahl Bürgerfreiheiten meines Erachtens als conditio sine qua non für einen Rechtsstaat an, so daß eine solche Annahme ohnehin schon keinen Rechtsstaat mehr determinieren kann. Welche Freiheiten der DDR-Bürger also auch immer genoß, er konnte angesichts der flächendeckenden staatlichen Bespitzelung leider niemals darauf vertrauen, daß Freiheiten, die er sich nahm – zum Beispiel nur einen Ausreiseantrag zu stellen -, nicht zu eigener oder zur Unfreiheit seiner Angehörigen führen könnten. Der Staat konnte wegen fehlender Unabhängigkeit der Richter und nicht vorhandener wirklich freier Advokaten willkürlich und nach Gutdünken handeln  Also könnte man bereits hier aufhören und einen Haken an das Unrechtsstaat-Siegel machen. Davon läßt sich der alte Herr aber nicht abhalten. Böckenförde führt dann aus, daß Rechtsstaat nicht gleichzusetzen ist mit „Gerechtigkeitsstaat“. Das hat auch nie jemand behauptet. Recht ist ethisches Minimum und kann Unschärfen, zum Beispiel wenn etwas im Zivil- oder im Strafrecht nicht beweisbar ist, nicht verhindern. Deswegen bekommt man vor Gericht auch „nur“ Recht und nicht immer „Gerechtigkeit“. In der DDR aber konnte man noch nicht einmal sicher sein, Recht zu bekommen, wenn man Recht hatte. Ensprechend zum zweitenmal Schluß der Debatte? Nein, beleibe nicht! Jetzt entlastet der Ex-Richter die DDR von einem Vorwurf, den ebenfalls niemand erhoben hat, nämlich dem, der Staat habe Ungerechtigkeit geradezu angestrebt. Erstens  ist die Kategorie „Ungerechtigkeit“ wie oben gesagt als Voraussetzung eines Rechtsstaates nicht zwingend, ja praktisch irrelevant. Zweitens hat auch keiner bisher die Behauptung aufgestellt, daß es in einem Unrechtsstaat keine Gerechtigkeit hätte geben dürfen und können. Weiterhin gelingt es dem Autor nicht, daß die DDR ihren Kopf aus der Unrechtsstaatschlinge ziehen kann. Ganz zum Schluß ahnt man, was den Richter a. D. überhaupt bewogen hat, mutmaßlich und hoffentlich wider besseres Wissen das Unmögliche zu versuchen, wenn er nämlich sagt, daß der Vorwurf die DDR-Nostalgie nur befördere und eine „globale Abqualifizierung der DDR als Unrechtsstaat“ beim Zusammenwachsen des neuen Staates nicht weiterhelfe.

Er will nur Befindlichkeiten niederringen und Hindernisse vorm Zusammenwachsen beseitigen. Also macht er Politik und deklamiert keine haltbare juristische Meinung. Was soll der Unsinn!? Ein Staat, in und unter dem massives Unrecht geschieht, wie Böckenförde durchaus zugesteht, ist ein Unrechtsstaat, der im Sinne der steuerrechtlichen Abfärbetheorie dadurch unverrückbar seinen Rechtsstaatlichkeitsstatus, den die DDR aber auch ansonsten aus vielerlei Gründe niemals für sich beanspruchen konnte, verliert, ganz unabhängig davon, ob es in Teilen Recht und von mir aus sogar Gerechtigkeit gab. Da hilft es nichts, dem Deutschen aus dem Osten Brei um den Bart zu schmieren. Das muß klar gesagt werden. Außerdem verstehen die Nostalgiker ohnehin kein gutes Argument, sie sind verblendet und hoffentlich in der Minderheit. Die Mehrheit muß man woanders abholen, und es sollte auch möglich sein. Denn eigentlich haben doch die Ostdeutschen die DDR zu Fall gebracht. Sie werden gewußt haben warum und wollten bestimmt nicht den „Rechtsstaat DDR“ überwinden.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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