wolfsgeheul.eu vom 23.05.2017

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 „Nazis, verpisst Euch!“
So einfach bringt es Udo Lindenberg auf den Punkt. Auch wenn man über die Wortwahl streiten kann, ist es äußerst beachtlich, wie er seine Popularität bis heute nutzt, um zu gesellschaftlichen Mißständen leicht verständlich Stellung zu beziehen. So schreckt er auch nicht davor zurück, im Zentralstadion zu Leipzig beim Abschlußkonzert seiner letztjährigen Tour genauso wortkarg wie hoffentlich wirkmächtig gegen die Pegida zu wettern. Und das ganze geschieht in der ihm eigenen einzigartigen Lässigkeit aber mit großer Überzeugung, was ihn jedoch nicht davon abhält, auch mit einundsiebzig Jahren noch eine Bühnenshow abzuliefern, wie es manch‘ Junge nicht vermögen. Eine authentische Figur, ein Vollprofi! Damit unterscheidet er sich wohltuend von vielen 68er Protestbarden wie Niedeggen mit BAP(s. Kolumne vom 30.08.2016), bei denen das alles zu bemüht daherkommt und deshalb viel weniger authentisch erscheint. Schlicht ist eben nicht dumm, aber hinter der Fassade der Schlauheit kann sich Dümmlichkeit verbergen.
Neulich habe ich ein mir bis dato unbekanntes Lindenberg-Lied entdeckt, das all‘ das oben Gesagte in Bezug auf ein anderes Thema gleichermaßen – im wahrsten Sinne des Wortes – verkörpert.
„Mein Body und ich

(Text: Udo Lindenberg; Musik: Udo Lindenberg)

Willst ’n Kaffee, kleinen Whiskey oder ’n Joint?
Ich muss in Ruhe mal mit Dir reden, mein alter Freund!
Ey Du mein armer Körper, was hab‘ ich Dir schon alles angetan?
Volle Kanne, hoch die Tassen, ey, das tut mir ziemlich leid,
ich muss Dir jetzt mal danken nach all der Zeit!

Ey, mein Body, Du und ich,
ich weiß, Du lässt mich nicht im Stich!
And’re hätten bei so ’nem Leben
längst den Löffel abgegeben
Ich hab‘ geraucht so wie ein Schlot
und gesoffen wie ein Loch,
ich hab‘ Dich superhart geschunden,
doch Du lebst immer noch!

Bin ein Feiervogel der durch sein Leben rennt,
wie ’ne Kerze, die von beiden Seiten brennt.
Ich war für Dich kein guter – kein guter Bodyguard,
doch was uns nicht killt, das macht uns extrahart!
Ich hab‘ alles eingeschmissen, was mir in die Finger kam,
auch die chemischen Keulen törnten sehr gut an.

Ey Du mein armer Körper, wie hast Du das blos hingekriegt?
Kein Gift und kein Exzess hat Dich besiegt!

Du mein Body – Du und ich
ich weiß Du lässt mich nicht im Stich!
And’re hätten bei so ’nem Leben
längst den Löffel abgegeben
Ich hab‘ geraucht so wie ein Schlot
und gesoffen wie ein Loch,
ich hab‘ Dich superhart geschunden,
trotzdem leben wir immer noch!

Ich muss Dir jetzt was sagen, ich zoll‘ Dir meinen Respekt,
Du hast den ganzen Wahnsinn weggesteckt!

Ey, mein Body, Du und ich,
hey, wir lassen uns nicht im Stich!
Und sind die Zeiten auch manchmal hart,
wir bleiben lange noch am Start!
Mein Körper, Du und ich,
sowas wird’s nie wieder geben,
Weißt Du, was wir beide sind?
Wir sind die Meister im Überleben!

Ey, mein Body, Du und ich,
ich weiß, Du lässt mich nicht im Stich
And’re hätten bei so ’nem Leben
längst den Löffel abgegeben

Besser kann man es nicht ausdrücken. Nun behandelt jeder seinen Körper anders, aber wir alle tragen täglich dazu bei, ihn auf irgendeine Art und Weise zu triezen. Genau betrachtet schadet er sich zwar selbst, aber wir – wer auch immer das ist – werden dafür verantwortlich gemacht. Insofern erscheint es durchaus sinnvoll, ihm regelmäßig dafür zu danken, daß er uns aushält. Der Mensch ist ein erstaunlich‘ Ding!

Denken wir daran, wenn wir uns zur Ruhe betten. In diesem Sinne

gute Nacht und ein Prost auf den kommenden Vatertag!

Ihr/Euer Wolf

P.  S.: Wegen des Feiertages erscheint am Abend des Mittwoches keine Kolumne. Die nächste wird zum Ende des Donnerstages veröffentlicht.

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wolfsgeheul.eu vom 30.08.2016

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„Mein Gott, jetzt hab ich’s!“ – „Heureka!“!

Stand ich beim Schreiben meiner letzten Kolumne ob der kollektiven Stille unseres gesellschaftlichen Mittelbaus noch etwas ratlos da, bin ich nach dem gestrigen Abend ein gutes Stück schlauer!

Der Besuch von Rockkonzerten mit Altachtundsechziger-Bands ist eine moderne Form des Ablaßhandels für unser schweigendes Bürgertum! Es kauft sich durch das Anhören und Mitträllern dröhnender Musik mit kritischen Texten vom eigenen lautstarken Aufbegehren frei, entrichtet seinen Obolus für ansonsten fehlende Zivilcourage und hat obendrein einen geselligen Abend. Im Käfig

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mit Gleichgesinnten singt man unter volksmusikartigem – eigentlich, so dachte ich, vom Bildungsbürger verhaßt, aber hier geht es offenbar um die gute Sache, so daß Ausnahmen gerechtfertigt zu sein scheinen – Klatschen die alten Protestsongs ab und geht befriedigt nach Hause. Das reicht dann wieder für eine gewisse Zeit, um den Rest seiner ungeliebten Berufstätigkeit auszuüben, die nörgelnde Alte bzw. den verfetteten und/oder spießigen Alten zu ertragen, die mißratenen Kinder zu goutieren und dem Ruhestand entgegenzudämmern. Bappt man dann noch einen „Tihange abschalten“-Aufkleber ans Auto und neben die Klingel am kleinen Häuschen mit dem Keramikschild „Hier wohnen Karin, Klaus, Kevin, Kira und Bello“, braucht man sich um die restlichen Probleme im Lande nicht mehr so nachdrücklich zu kümmern. Man hat sich einmal wieder öffentlich unter und mit Brüdern und Schwestern im Geiste bekannt und damit schon mehr als manch anderer getan.

Wie komme ich darauf? Gestern bin ich trotz – wie zumeist – versäumter rechtzeitiger Akkreditierung als Pressevertreter  ins „Da Capo“- Montagskonzert, dem Anhängsel zum kompletten Wochenende „Kurpark Classix“ in Aachen – sehr erfolgreich(s. auch Kolumne v. 18.06.2015) und dieses Jahr erstaunlicherweise ohne den traditionellen Öcher Reen – mit der alten Kölschrockformation „BAP“ als immer schon eher ungeübter Besucher solcher Veranstaltungen reingerutscht. Zugegebenermaßen eine Gruppe, mit der ich in deren Anfängen großgeworden bin! Die erste – und vielleicht beste – ernstzunehmende Platte „affjetaut“ von 1980 steht heute noch in meinem Schrank und wird ab und zu abgespielt. Die Sitzplatzkarte, die ich benutzen durfte, auf der mittig vor der Bühne aufgebauten Tribüne – eigentlich ein Nogo bei Popkonzerten – hätte 54,70 Euro gekostet, und die seitlichen Rasenstehplätze, auf denen, je weiter man nach außen ging, die Musik zunehmend wie aus dem Kofferradio klang, schlugen immerhin noch mit 43,00 Euro zu Buche. Ablaß war eben noch nie zu Discounttarifen zu haben. Im Zentrum des Klangorkanes – breiig, übersteuert und fast zu laut – holte man sich die Absolution auf Klappstühlen ab und zahlte zusätzlich mit einer temporären Taubheit. Da war es außen nicht nur günstiger, sondern auch gesünder, weil fast angenehm leiser.

Es ist schon ein merkwürdiges Bild, ein Heer – es sollen 4500 Besucher gewesen sein – von Graukappen in kontrollierter Ekstase zu erleben, während vorne ein kleiner kauderwelschender Rentner aus Kölle – Wolfgang Niedecken ist bereits 65 Jahre alt –

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in etwas gebückter Haltung auf dem Niveau einer besseren Schülerband unterschiedlichste, von Bütteln gereichte Gitarren traktierte. Auch die sonstige musikalische Leistung – aber bei einer so „hochpolitisch“ mundartlichen Musikgruppe kommt es ja ohnehin mehr auf die Texte an, die allerdings kaum einer versteht, geschweige denn beherzigt – hielt sich in etwa auf diesem Level. Ein verhindeter Rick Wakeman an den Keyboards und ein Perkussionist, der mehrere Angebote, eine veritable Schlagzeugsession abzuliefern, wie es auf Rockkonzerten Usus ist und zu den Highlights gehört, zwar annahm, aber eher kläglich scheiterte! Der Gitarrist war nicht signifikant besser. Die Beste – ein echter Lichtblick – war noch das musikalische Multitalent aus Dresden, Anne de Wolff, mit virtuoser Geige, Posaune, toller Stimme etc.. Ein Hoch auf die Wiedervereinigung und die phantastische kölsche Integrationskraft!

Was bleibt? Ein paar politische Statements des Bandleaders wie das lapidare „Wenn die amerikanische Wahl schiefgeht, müssen wir uns aber ganz warm anziehen.“! Ob er Trump oder Clinton meinte, blieb offen. Trotzdem: Applaus! Ein Bericht über seinen letzten Marokko-Urlaub – wo und wie edel oder einfach er dort abstieg, hat er nicht erzählt – und das vor Ort gesehene Elend mit Hinführung zu einem von der Band beförderten Projekt für die Reintegration von Kindersoldaten und Zwangsprostituierten! Egal, Respekt! Sympathische Momente bei der Mitsinganleitung „Der Kölsche kennt kein „g“.“ für das bekannte Lied „Jraduss“. Und durchaus Gänsehautmomente bei „Kristallnaach“ von 1982(!) oder „Arsch huh, Zäng ussenander“ aus dem Jahre 1992! Solange gibt es schon den kulturellen Kampf gegen Rechts! War aber eben auch wieder nur eine Art Rockkonzert! Und was hat es bewirkt!? Leider viel zu wenig!

Nichts für ungut, BAP! Ich mag euch, und mehr könnt ihr mit eurer Begabung auch nicht leisten! Aber, liebe Besucher des Konzerts: Ein bißchen Schunkeln und die alten Parolen intonieren ändert an der heutigen mißlichen Lage wenig bis nichts. Bürger, der Kampf um die Freiheit geht (immer) weiter!

BAP hat recht!

„Wenn mir dä Arsch nit huh krieje,
ess et eines Daachs zu spät.“

In diesem Sinne

gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

 

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