wolfsgeheul.eu vom 01.07.2016

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Keine Lust zum Schreiben!

Zu meinem Glück muß ich aber keine Kolumne produzieren. Stattdessen hat Reinhold Beckmann, der kleine Wichtigtuer, nämlich Zeit und sich bereit erklärt, mich anläßlich meines heutigen Geburtstages gegen ein allerdings ansehnliches Honorar zu interviewen, nachdem man ihn wegen andauernder Erfolglosig- und Langweiligkeit – zuletzt mit dem gestelzten, unlustigen Quatsch aus der „Sportschule“ Malente – bei der ARD gebeten hat, bei fortlaufender Bezahlung bis zum Vertragsende sich anderen Tätigkeiten zuzuwenden und den anspruchsvollen Zuschauer nicht weiter mit seiner aufgeblasenen Staatstragendheit und Kumpelhaftigkeit zu nerven. Tiefer Besuch also!

Beckmann(schon mit mir am Tisch sitzend): Es ist mir eine große Freude, heute von Ihnen, Herr Meyer, empfangen zu werden und Ihnen meine drängenden Fragen stellen zu dürfen.

Ego: Das glaube ich Ihnen sogar. Möchten Sie ein Kissen für drunter?

Beckmann: Wie bitte? Ach so, nein Danke! Daran habe ich mich gewöhnt. Vielen meiner wichtigen Gäste sitze ich im übrigen Aug‘ in Aug‘ gegenüber und zu den anderen schaue ich halt auf.

Ego: Richtig!

Beckmann: Zunächst einmal meine herzlichsten Glückwünsche zum Ehrentag!

Ego: Danke!

Beckmann: Stimmen die 56 Lenze eigentlich, denn die sieht man Ihnen nicht an?

Ego: Ja, ja, nichts besonderes!

Beckmann: Feiern Sie trotzdem?

Ego: Nur im kleinsten Freundeskreise unter Männern!

Beckmann: Klingt gut! Sie haben wirklich echte Freunde?

Ego: Ja, ein paar, zum Glück! Können wir bitte zum Thema kommen!? Ich muß nämlich gleich los zum „Knipp“.

Beckmann: Selbstverständlich! Herr Meyer, Sie haben in den weniger als eineinhalb Jahren seit März letzten Jahres über 400 Beiträge zu Ihrer Internet-Kolumne „wolfsgeheul“ geschrieben und veröffentlicht und damit eine stattliche Leserschaft aufgebaut.

Ego: Ja, genau!

Beckmann: Was motiviert Sie?

Ego: Diese Frage stelle ich mir ab und an auch.

Beckmann: Ist das nicht unglaublich schwer, sich Tag für Tag außer Samstags immer wieder aufzuraffen?

Ego: Nein, das Schreiben geht mir leicht von der Hand.

Beckmann: Und, gehen Ihnen die Themen nicht langsam aus?

Ego: Nein, es gibt immer etwas, das mich beschäftigt, freut, stört, aufregt etc., und solange es Typen wie Sie gibt, ist für ausreichend Nachschub gesorgt. Denn wenn alle Stricke reißen, schreibe ich halt über solche Menschen und Ihr bemerkungsanregendes Opus. Meistens bieten sich aber erfreulicherweise andere, wirklich bedeutende und/oder tatsächlich lustige Themen an, so daß ich zu derartigen Notnägeln selten greifen muß.

Beckmann: Das ist ja beruhigend, daß ein Versiegen der Quelle nicht zu befürchten ist. Davon abgesehen, glauben Sie auch sonstig, daß Sie weiterhin diszipliniert Ihre Arbeiten abliefern werden?

Ego(auf die Armbanduhr tippend): Ach, wissen Sie, wer will schon für das Morgen planen!? Im Moment jedoch ist noch kein Ende abzusehen.

Beckmann(sich quasi effektlos aufrichtend und ein Kuvert über den Tisch schiebend): Dann freuen wir uns doch alle auf die nächsten 400 Kolumnen.

Ego(Kuvert in die Innentasche des Sakkos schiebend): Mal sehen! Danke!

Beckmann: Herr Meyer, seien Sie herzlich bedankt für das interessante Gespräch! Übrigens, ich hätte Zeit!

Ego(bereits aufstehend): Nur Freunde und Männer, Herr Beckmann!

Beckmann(aufspringend und mir die Hand entgegenreckend): Verstehe! Viel Vergnügen!

Ego(die Hand schüttelnd): Adieda!

Mist, schon wieder Zeit verloren! Ich glaube, ein Interview werde ich sobald nicht wieder geben. Scheiß‘ doch auf’s Geld! Aber, wenn gewünscht, gibt es jetzt gleich Steak für alle!?

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

P. S.: Erläuterungen zum Lokalkolorit: „Am Knipp“ ist eine gutbürgerliche Traditionsgaststätte in Aachen und „Adieda“ heißt hier „Tschö“, was wiederum die rheinische Version von „Tschüs“ darstellt.

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wolfsgeheul.eu vom 30.03.2016

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Verkehrte Welt: Abitur spielt und Hilfsschule kommentiert!

Früher – so jedenfalls meine verklärte Erinnerung – waren im Fußball die Rollen meist anders verteilt. Gestern im Freundschaftsspiel der Deutschen gegen Italien saß ein Steffen Simon am Mikrofon, von dem man im Netz wohl lesen kann, er habe seine „Karriere“ mit 13 Jahren als Schülerreporter bei RIAS Berlin begonnen, über einen Schulabschluß dagegen findet man nichts. Vom Schülerreporter direkt ohne Ausbildungsumweg zum Reporter!? So reihte sich sein Kommentar nahtlos in das Geschwätz eines Großteils seiner Kollegen bei den öffentlich-rechtlichen Sendern ein. Die mit dem Brustton der Überzeugung dargebrachten sprachlichen Verfehlungen führen übrigens oft dazu, daß man zwar stutzt, aber zunächst gar nicht weiß, was eigentlich falsch war. Als Herr Simon gestern meinte, die deutsche Mannschaft dürfe in ihrer Aufmerksamkeit nicht nachlassen und müsse immer auf dem Quivive sein, und sagte „sie müsse ihre Sinne zusammenhalten“, war das so ein Moment. Mit dem Gedanken „der hat doch nicht alle beisammen“ fiel natürlich bald darauf der Groschen. Wann – ich kann es nicht oft genug wiederholen – erkennt das Gebührenfernsehen endlich, daß es auch einen Bildungsauftrag hat!? Während wir Alten nämlich weghören oder es noch besser wissen, neigen junge Menschen erstens zur Nachahmung und zweitens unterstellen sie – und das kann man ihnen nicht einmal verübeln – blind, daß die in der Glotze schon richtiges Deutsch sprechen werden. Tun sie leider nicht (mehr), und so nimmt es nicht Wunder, daß es mit der Sprachkompetenz insgesamt bergab geht.

Wie wohltuend erscheint da der Abiturient Thomas Müller, der nicht nur auf dem Feld, sondern auch vorm Mikrofon zu erfreuen und überraschen versteht! Nach dem Spiel gegen England zum Beispiel mit dem offenen und ehrlichen Eingeständnis, es sei halt ein „typisches Testspiel“ gewesen, bei dem man sich dabei ertappe, „dass man den letzten Schritt nicht aggressiv genug macht“, was ihm erwartbar neben Lob natürlich auch wieder einen Sturm der Entrüstung eingetragen hat. Dabei ist es nicht erst seit gestern ein offenes Geheimnis bzw. schlicht die Wahrheit. Man mag es bedauern, aber die Zeiten, in denen der Bundesadler auf der Brust jeden, egal in welchem Spiel, immer zu Höchstleistungen animierte, sind vorbei. Dafür geht es außerhalb der Nationalmannschaft um zuviel. Vielleicht werden deshalb die Fußballer auch schlauer. Denn Müller ist nicht der einzige, der positiv auffällt. Am meisten freue ich mich über Migranten, die in geschliffenem Deutsch parlieren. Ein schöneres Beispiel für Integration kann man nicht aufbieten, erst recht, wenn man bedenkt, daß die Eltern dieser jungen Deutschen nicht selten kaum bis gar nicht Deutsch sprechen.

Die Sportler fordern manch‘ Fersehschaffenden inzwischen zum Sprachwettstreit und gewinnen ihn. Wenn das keine Herausforderung ist! Ein Reporter muß nicht gut Fußball spielen können, aber sprachlich sollte er Vorbild und selbst den besten Kickern überlegen oder mindestens ebenbürtig sein. Ansonsten verliert er jedweden Respekt. Thomas Müller hat das berechtigterweise übrigens schon längst getan!

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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