wolfsgeheul.eu vom 19.11.2015

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So wie es in den letzten Tagen durch den Blätterwald rauscht, kommen ernsthafte Zweifel daran auf, ob tatsächlich allen am Erhalt der Freiheit aufrichtig gelegen ist oder Kakophonie und sensationslüsterne Panikmache im Vordergrund stehen.

Die, die unisono „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ gebrüllt haben, übertreffen sich jetzt gegenseitig mit unkonstruktivem und verunsicherndem Thesenwirrwarr. Da wird nicht nur in unverantwortlicher Weise der „Weltkrieg“(s. Kolumne vom 15.11.2015) beschworen und erklärt, von „Ausnahmezustand“, „Notstand“, „Verteidigungsfall“ etc. gefaselt, in widerlicherweise nach Fehlern der Behörden gesucht, sondern auch die Einschränkung von Freiheiten prognostiziert und herbeigeredet.

Einen traurigen Höhepunkt bietet Christian Geyer – mein Jahrgang übrigens – mit seinem gestrigen Artikel „Notstand? Warum eigentlich nicht?“ im Feuilleton der FAZ. In der Subüberschrift fragt er „Champagner schlürfend dem Terror trotzen – sieht so westliche Freiheit aus?“ und stellt fest „Es gibt kein Menschenrecht auf Unbeschwertheit.“. Sein kryptischer und durchweg hinsichtlich der Stoßrichtung und Argumentation unverständlicher Artikel schließt mit seiner Antwort auf die in der Überschrift selbst gestellte Frage in Form der komprimierten Unsinnigheit folgender Feststellung: „Der Staat muss die Freiheit verteidigen, indem er sie seinen Bürgern beschneidet.“.

Inspiriert haben Geyer offenbar die Cover-Karikatur der aktuellen Charlie Hebdo-Ausgabe, die einen tanzenden Mann zeigt, der Champagner in sich hineinschüttet, der ihm im Strahl aus den diversen Einschußlöchern in seinem Körper wieder herausschießt, Text: „ILS ONT LES ARMES“ – „ON LES EMMERDE; ON A LE CHAMPAGNE!“, sowie die Aufforderung der Satiriker im Editoral, man solle auf diese Weise dem Terror begegnen und den Terroristen damit zeigen, daß sie nichts mit ihren Taten erreichen.

Charlie zeigt uns zunächst bildhaft, daß wir selbstverständlich frei sind, weiterhin ungebremst unseren Champus zu saufen. Ferner fordert er uns auf, offensiv öffentlich so Präsenz zu zeigen, um dem IS die Untauglichkeit seines Tuns vor Augen zu führen.

Letzteres obliegt natürlich unserer freien Entscheidung, denn das ist ja das Großartige an der Freiheit, daß sie uns nicht nur gestattet, alles Erlaubte zu tun, sondern es auch genausogut zu lassen. Und das ändert sich nach den Anschlägen in keinster Weise. Jeder Schritt vor das Haus und natürlich erst recht jeder Besuch einer Massenveranstaltung waren seit jeher mit nicht ausschließbaren Risiken verbunden. Das wird auch weiterhin so sein, eventuell aber mit erhöhtem Risiko. Da können die Sicherheitsbehörden noch so gewissenhaft arbeiten, gegen Irre und/oder klug agierende Terroristen gibt es keine endgültigen Mittel zu ihrer Entschärfung. Einzig da, wo Veranstaltungen von einer behördlichen Genehmigung – auch und gerade wegen der Plicht des Staates, deren Sicherheit zu gewährleisten – abhängen, sind Veränderung derart zu erwarten, daß manche von ihnen in nächster Zeit nicht durchgeführt werden können. Angesichts der absolut überzogenen Vielzahl solcher Verlustigungen unserer Freizeitgesellschaft müßte das verkraftbar sein. Und daß bei denen, die gleichwohl stattfinden werden können, verschärfte Kontrollen zu erwarten sind, hat rein garnichts mit Beschneidung von Freiheiten zu tun., da nur der sich ihnen unterwerfen muß, der sich die Freiheit nimmt, die jeweilige Veranstaltung besuchen zu wollen.

Geyers Gedanken springen gleichsam zu kurz wie zu weit. Erstens scheint er in überraschender Einfältigkeit wegen Sicherheitsbedenken ausfallende Veranstaltungen als Freiheitsbeschränkung anzusehen, und zweitens scheint ihm jedes freiheitsbeschränkende Mittel recht zu sein, damit er weiterhin seine mißverständlicherweise offenbar als Freiheit empfundene Vielfalt von Events vorfinden und aus ihnen auswählen kann.

Selbstredend hat der Staat die Pflicht, die Sicherheit seiner Bevölkerung zu gewährleisten, aber niemand kann von ihm erwarten, geschweige denn verlangen, daß er uns eine Garantie für Unversehrtheit gibt.

Und ein freiheitlicher Staat hat alles dafür zu tun, daß die allgemeine und die individuelle Freiheit erhalten bleiben. Ernsthafte Beschneidungen der Freiheit verbieten sich, will der freiheitliche Staat nicht in seiner Wesensart sich grundsätzlich verändern und damit seinen Namen nicht mehr verdienen. Das zu beachten, ist seine vornehmste Aufgabe.

Prost, Herr Geyer! Heben wir unsere Champagnerkelche und trinken auf die Freiheit und deren Erhalt! Vielleicht gehen sie nicht mehr zum Fußball oder zum Weihnachtsmarkt, vielleicht sogar weil die von ihnen avisierten Ereignisse abgesagt werden!? Aber glauben sie mir, daran liegt keine Beschneidung ihrer Freiheit, und der Verlust an Freizeitvergnügen, auf das tatsächlich kein Recht, geschweige denn ein Menschenrecht besteht, sei es aus Selbstbeschränkung oder Nichtverfügbarkeit, wird sich in Grenzen halten und verschmerzen lassen. Die Wahrscheinlichkeit im Straßenverkehr oder durch Krankheit sein Leben zu verlieren wird unverändert signifikant höher bleiben, als die, zum Beispiel von IS-Kugeln durchsiebt zu werden. Der Champagner bleibt also bis auf weiteres drin. Und die gewonnene freie Zeit könnten sie nutzen, demnächst etwas länger nachzudenken, bevor sie einen Artikel veröffentlichen.

Und, liebe Journalisten, hört endlich auf mit eurer Panikmache und euren sonstigen unausgegorenen Äußerungen, die übrigens wenig erstaunlicherweise heute so und morgen ganz anders ausfallen. Tageszeitung heißt doch nicht, jeden Tag eine neue Meinung feilzubieten. Fundierte Meinungen stehen länger, müssen allenfalls verfeinert und ergänzt werden. Bevor man sie aber über den Haufen wirft, muß der Sturm der Richtigkeit der Gegenargumente schon sehr stark wehen, ansonsten die Meinung nie werthaltig war.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

 

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wolfsgeheul.eu vom 18.11.2015

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Der Karneval kann zuweilen auch eine ernste Sache sein, und in Aachen ist er traditionell immer „tierisch“ ernst. Die beeindruckend und achtenswert umtriebigen Lackschuhkarnevalisten des AKV haben mit ihrem Orden „Wider den tierischen Ernst“ seit 1950 eine einzigartige Marke geschaffen, die absolut zu Recht überregionale Bedeutung erlangt hat. Die Liste der Ordensritter ist von wenigen Ausnahmen abgesehen durchweg illuster. Nach der Pleite mit Karl-Theodor zu Guttenberg, der, obwohl unbestritten ein politisches Ausnahmetalent, ohnehin eher eine Fehlentscheidung war aber immerhin zur Entdeckung des feinen und wirklich humorvollen Bruders Philipp geführt hat, lief es – wer wollte sich schon vom eigentlich zuständigen Karl-Theodor, der dann allerdings glücklicherweise letztlich wieder gekniffen hat, laudatieren lassen! – mit Otti Fischer noch etwas holprig weiter, aber danach schien man sich gefangen und die alte Reputation fast wiederhergestellt zu haben. Trotzdem sanken leider die Quoten, der Traditionsorden blieb bedauerlicherweise etwas angeschlagen. Um so wichtiger war und ist eine kluge Wahl bezüglich zukünftiger Kandidaten.

Als im Juli diesen Jahres bekannt wurde, daß Markus Söder der Ritter der Session 2015/2016 sein sollte, haben sich so zwar manche gewundert, daß die Wahl auf diesen aalglatten und wendehälsischen Karrieristen und unangenehmen Kläffer gefallen war, aber immerhin ist er ein ausgewachsener Landesminister und zugegebenermaßen mit seinen aufwendigen Kostümierungen im fränkischen (sogenannten) Karneval nicht alltäglich. Und am Ende geht es doch nur um einen Karnevalsorden!

Daß Söder – wie damals auch Ritter Stoiber – eine Rolle bekleidet, in der er zumeist mutmaßlich auf Anweisung seines Chefs einfache und zum Teil nur doofe Stammtischparolen absondert, wußten auch alle vorweg. Daß er in der Zeit zwischen Nominierung und Ordensverleihung damit nicht aufhören würde (können und dürfen), mußte ebenfalls jedem klar sein. Jetzt hat Söder direkt nach den Anschlägen von Paris nicht nur seine Trauer und sein Beleid bekundet, sondern im selben Atemzuge den Bogen zur Einwanderungsproblematik und der begründeten Vermutung, daß diesen Weg leider auch Terroristen nutzen, geschlagen, was einen Shittorm auslöste. Damit hat er jedoch dem Wirthausbesucher aus der Seele gesprochen, wie es allenthalben seine, von ihm offenbar sogar gern und willfährig wahrgenommene Aufgabe ist. Im übrigen ist es als Meinungsäußerung sogar legitim, diese Verbindung herzustellen. Ob die direkte Verknüpfung mit der Kondolenz allerdings pietätvoll war, steht auf einem anderen Blatt. Söder wird aber auch nicht für gutes Benehmen und Feingeistigkeit in Bayern bei Hofe gehalten.

Also alles wie erwartet! Aber der AKV wird, statt zu seiner Entscheidung zu stehen, unsicher und wankt. In einer gestrigen Abendsitzung hat man dann angeblich mit allen Beteiligten, damit wohl auch dem Delinquenten und dem für die Fernsehübertragung zuständigen WDR, beraten, ob Söder, der eigentlich nie besonders tragbar war, weiterhin tragbar sei. Was für eine Peinlichkeit! Egal in welche Richtung das Pendel ausschlagen würde, hatte man damit allseits schon unrettbar verloren. Traurigerweise eine unverständliche taktische Fehlleistung der Sonderklasse! Doch noch ist Polen nicht verloren!

Jetzt hat man wohl entschieden, an Söder festzuhalten. Das werden noch bange Wochen bis zum Januar. Wenn Söder aber doch einen Arsch in der Hose hätte, würde er nun seinerseits den Bettel hinschmeißen. Er stünde souverän da, und Ritter Philipp wäre sicher bereit und in der Lage, die Show zu retten, so wie er das bereits mehrfach bewiesen hat. Es steht doch noch eine richtige eigene Ritterrede aus und die Laudatorin, Ritter Annegret Kramp-Karrenbauer, hätte bestimmt nichts dagegen, im Gegenteil, wäre es vielleicht sogar lieber.

Noch besser jedoch wäre die Einführung einer Novität im Aachener Edel-Karneval! Wie wäre es mit einer offiziellen Zelebration der eigentlich überfälligen Aberkennung der Ordensritterwürde für Karl-Theodor!? Die Begründung der Geschworenen, richtig des Elferrates des AKV könnte keiner besser vortragen, als wieder Ritter Philipp, eventuell als Henker-Duo mit Ritter Annegret. Oder man inszeniert eine Inquisitionsverhandlung mit vorher feststehendem Urteil, bei der der Bruder die Rolle des Verteidigers übernimmt. Der Möglichkeiten sind viele! Kreativität ist halt gefordert! Und wenn Karl-Theodor wirklich in die deutsche Politik zurückmöchte, wie es möglicherweise Seehofer und er planen, könnte er das Feld nicht besser bereiten, als die Größe und den Humor zu besitzen, bei dieser humoristischen Degradierungszeremonie dann endlich einmal Präsenz zu zeigen und sich zu stellen. Eine karnevalistische, humoristische und anarchistische Qualität, die dem Öcher Karneval und ihm zur Ehre gereichte! Und fürderhin hätte der AKV immer wieder die Option, bei Problemen mit zukünftigen Würdenträgern naht- und schadlos einem anderen alten Ritter, der einer Aberkennung würdig (geworden) ist, öffentlich mit Esprit und Humor den Garaus zu machen.

Damit käme der Karneval endlich auch da wieder an, wo er seinen Ausgang nahm, nämlich in der Verhohnepiepelung bürgerlicher Rituale. Lieber AKV, die Ideen sind gratis. Mach was draus, damit die Quoten wieder steigen und Aachen in aller Munde bleibt.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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