wolfsgeheul.eu vom 15.05.2015

0
0

Seit über vier Jahren in Aachen führt mich mein kurzer Fußweg in die Innenstadt zwangsläufig an einem offenbar über die Stadtgrenzen hinaus bekannten Tattoo- und Piercing-Studio vorbei, bei dem die Bude immer rappelvoll ist und die menschlichen Leinwände aller Couleur – und das meine ich nicht nur farblich – zum Teil bis auf die Straße anstehen, um sich kostenpflichtig beflecken zu lassen. Ein Gewöhnungseffekt im Sinne eines bloßen Passierens gesellschaftlicher Realität stellt sich bei mir aber bis heute nicht ein, jedesmal wieder packt mich stattdessen das blanke Unverständnis, ja, in meinem Alter muß ich fast aufpassen, meinem innerlichen Kopfschütteln nicht akustisch Ausdruck zu verleihen und mir entsprechendes im Selbstgespräch in den nicht vorhandenen Bart zu brummeln. Mein immergleicher Kulturschock schwillt dann zwar schnell ab, findet aber in der Fußgängerzone und weiter minütlich neue Nahrung, weil man heute kaum noch ein paar Meter im öffentlichen Raum sich bewegen kann, ohne solcher Menschen ansichtig zu werden, deren Drang es ist, sich dauerhaft zu bemalen bzw. bemalen zu lassen.

Nun bin ich nicht ausgebildet, um diesem Phänomen wissenschaftlich zu begegnen, auch will ich kein Wikipediawissen – mehr Recherche ist es mir nicht wert – ausbreiten. Mir stellt sich aber schon die Frage, was sich in den letzten 20 bis 30 Jahren in unserer Gesellschaft verändert hat, daß eine Körperverletzung, die, von wenigen Ausnahmen abgesehen, verschandelt und der sich früher überwiegend Seeleute, Sträflinge und Prostituierte, vielleicht dem Vorbild ihrer maritimen Kunden folgend, unterzogen, sich in der Mitte der abendländischen Kulturregion einnisten und festsetzen kann, offenbar mit exponentiellen Zuwachsraten. Wer nämlich geglaubt hatte, daß das Arschgeweih sich als der Sargnagel dieses „bleibenden“ Modetrends erweisen würde, weil selbst die einfachste Kreatur sich über kurz oder lang lachend und höhnend darüber erhob, der hat sich gewaltig geirrt; es war zwar wohl eine modische Sackgasse, aber beiweitem nicht das Ende der Mode an sich. Ganz im Gegenteil!

Über Jahrhunderte haben sich die Gesellschaften kultiviert und zivilisiert, gerade um sich von Urvölkern und deren Ritualen absetzen. Man war bestrebt, eine weitere Stufe der Evolution zu erklimmen, und das sollte sich nicht nur im intellektuellen und technischen Bereich vollziehen, sondern auch und gerade in Form der Entbarbarisierung vorsintflutlicher Sitten und Gebräuche. Und auf diesem Wege waren wir Ende des zwanzigsten Jahrhunderts so weit vorangeschritten, daß selbst die vornehme Blässe faktisch sozialisiert und damit auch für das einfache Volk möglich war. Und statt diesen Sieg über den Wilden vor und in uns zu feiern, zu genießen und weiterzuentwickeln, packt die friedlich im Wohlstand verfettete und offenbar gelangweilte Gesellschaft der Übermut und läßt sie anfangen, sich an ihrer eigenen Substanz zu vergehen, also reversible durch irreversible Moden zu ersetzen. Und das in einer Welt, in der sich die mobile Mode, also die Kleidung, in immer kürzeren Zyklen ändert, was durchaus auch von denen nachvollzogen wird, die auf der anderen Seite für die Ewigkeit in ihre Haut manipulieren lassen. Was macht die sicher, daß sie beim Darunter nicht genauso unkonstant sind wie beim Darüber!?

Mir fällt zum unsäglichen Tun nur eines als Antwort ein, nämlich daß Menschen, denen es letztlich zu gut geht, zu übersprungsartigen Handlungen neigen. Vielleicht ist es aber auch nur ein Reflex auf die grassierende Oberflächlichkeit und Flüchtigkeit unserer Gesellschaft, also ein Hilferuf der armen Seelen, die für sich sonst keine Ausdrucksmöglichkeit sehen, um diesen Zustand zu bekämpfen. So oder so bleibt es nach meiner festen Überzeugung ein Ausdrucksmittel der geistig Schwachen, die leider in allen Schichten fröhliche Urständ feiern. Eine schöne neue bunte Bilderwelt wird daraus nicht. Die Hochkultur verarmt und verabschiedet sich mehrheitlich, indem sie archaischen Riten zuneigt und sich mangels anderer elaborierter Qualitäten an vorzeitliche Körperkulte verkauft und die Seele dafür in Zahlung gibt bzw. im Pfandhaus der Erbärmlichkeit hinterlegt, um sich tätowieren zu lassen. Denn nicht vergessen darf man: Der Quatsch kostet ja obendrein ein Heidengeld – Betonung auf „Heiden“! Es ist wie bei der Bildungsmisere, diese Fehler lassen sich in absehbarer Zeit nicht rückgängigmachen. Wir begehen den Weg in die Abwärtsspirale überwiegend nicht mehr, wie Gott uns geschaffen hat. Ob das die wandelnden Galerien aber an ihm vorbeiführen wird, scheint zumindest fraglich.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

 

 

0
0

wolfsgeheul.eu vom 14.05.2015

0
0

In letzter Zeit befeuert die FAZ – meine Tageszeitung seit fast vierzig Jahren – dankenswerterweise immer wieder und in erstaunlich schneller Abfolge die Diskussion über den Zustand unserer Bildung, genauer unserer Universitäten und deren Studenten, indem sie Professoren unterschiedlicher Fakultäten großen Raum für ihre pointierten Ansichten einräumt. Gerade gestern durfte Prof. Dr. Stefan Kühl, Soziologe an der Universität Bielefeld, seine ernüchternde Bilanz über die in seinen Augen zu „Zertifikatsagenturen“ verkommenen Akademien kundtun und feststellen, daß heute der Student ein Wirtschaftsfaktor für die Hochschulen im Kampf um Zuteilungen und Zuschüsse ist, der bei – dem Massenansturm der idiotischen politischen Vorgabe, nahezu jeder müsse einen akademischen oder halbakademischen(Fachhochschule) Abschluß erwerben, geschuldet – ständig sinkendem Niveau, wenn er denn denn die ersten Semester übersteht, am Ende unabhängig von seinen Fähigkeiten und Leistungen seine Urkunde praktisch hinterhergeworfen bekommt, damit unter dem Strich die Zahlen stimmen. Wenn er Recht hat, ist es fast noch schlimmer als gedacht, wenngleich ich in mehreren Kolumnen hinsichtlich des Niveaus der Jugend und ihres Bildungshungers schon in ein gleiches Horn geblasen habe.

In diese immer trauriger werdende Bilanz platzt eine Online-Nachricht der Bild-Zeitung von der Universität Köln. Dort hat die 34-jährige Frau Dr. Reyhan Sahin in einem proppevollen Hörsaal vor über 650 Studenten als außerordentliche Vorlesung ihre  „Lecktion II“ gehalten. Nun könnte man begeistert sein, daß eine Dozentin soviel angehende Akademiker anzieht. Wer aber älter ist, eine hohes Bildungsideal verfolgt, keinen Fernseher besitzt, keine Kinder hat und sich gegebenenfalls über meinen vermeintlichen Schreibfehler beim Vorlesungstitel gewundert hat, dem muß man wohl vorab erklären, daß Frau Dr. Sahin wenn überhaupt als Rapperin unter dem Namen „Lady Bitch Ray“ bekannt ist, die unter anderem einmal Herrn Harald Schmidt bzw. seinem Sidekick Pocher in seiner Latenight-Talkshow als Gastgeschenk ein Kosmetikdöschen dediziert hat, welches vorgeblich mit ihrem Vaginalsekret gefüllt war. Diese Frau – die Anrede Dame verbietet sich und würde sie sich sicherlich auch selbst verbitten – las dann auch vor ihrem begeisterten Auditorium aus ihrem Buch „Bitchsm. Emanzipation, Integration, Masturbation“  und wird von unserem Massenkäseblatt mit dem großartigen Satz zitiert, sie habe das Buch geschrieben, wie ihr die „Pussy “ gewachsen sei. Dieses Geschöpf Gottes hat in Bremen studiert und promoviert, womit weitere Fragen zu ihrem akademischen Niveau sich eigentlich erübrigen. Außerdem bin ich alles andere als prüde und habe nichts gegen selbstbewußte Frauen, die mit ihren Provokationen und Ferkeleien offenbar ihr Geld verdienen können; man sollte und muß nur hoffen, daß sie darüberhinaus nicht die Welt verändern, wenngleich sie sich in die auch von mir an anderer Stelle beklagte Verproletarisierung einpassen und zum Teil diese auch verursachen. Es wird alles primitiver, die verdeckte, aber nicht minder erkennbare und umsomehr ergötzliche Schweinerei ist längst der drastisch unverhohlenen Benennung gewichen und hat unser Leben nicht nur nicht bereichert, sondern leider entzaubert, geradezu entweiht und damit – ganz anders, als man vermuten könnte – (reiz)ärmer gemacht. Letztlich bin ich jedoch ehrlich und schließe keinesfalls aus, daß ich als junger Student der Uni Köln nicht auch im Auditorium gesessen hätte.

Aber was fährt in eine durchaus anerkannte Universität, dieser promovierten „Non-Akademikerin“ ein Forum zu bieten!? Muß man den niveaulosen Massen etwas bieten, damit sie bleiben und die Bilanz nicht verhageln? Es war früher nicht alles besser, und auch heute ist nicht alles schlecht. Es sollte jedoch Grenzen des guten Geschmacks genauso wie des intellektuellen Niveaus geben, die man zumindest als öffentliche Lehranstalt nicht überschreitet, selbst wenn es der studierende Mob noch so erwarten und/oder fordern sollte.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

 

0
0