wolfsgeheul.eu vom 20.11.2015

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Nach einer guten Woche Karnevalsvertretung merke ich bereits, was es bedeutet, jeden Werktag, den Gott werden läßt, eine Kolumne zu schreiben. Themenmangel herrscht zwar nicht, aber es kann einem schon schnell zum Halse heraushängen, daß bestimmte ärgerliche Dinge nicht nur nicht enden, sondern offenbar jeden Morgen wieder ein Idiot aufsteht, der noch einen draufzusetzen versteht. Nur, soll man deswegen nicht mehr über sie berichten und sie anprangern!? Nein! Schwachsinnige dieser Welt, der Kampf geht weiter! Immer wieder den Finger in die Wunde legen, gleicht eben der Kerneraufgabe „Kindererziehung“; wer nachläßt, hat schon verloren. Also: Semper idem!

Heute bildet ein Bericht in der sächsischen Zeitung „Freie Presse“ den Stein des Anstoßes.

Am 13. Februar diesen Jahres erschüttert eine Explosion ein belegtes Asylbewerberheim in der Bergbaustadt Freiberg, dem Ostpendant zu Clausthal-Zellerfeld, mit rund 40.000 Einwohnern. Die Bergakademie mit über 5.000 Studenten hat Weltruf und die Silbermann-Orgel im Dom St. Marien ist allein schon eine Reise wert.  Zurück zum Fall! Mehrere Bewohner erleiden bei dem Anschlag Verletzungen, getötet wird glücklicherweise niemand. Anfänglich bewußt oder unbewußt verharmlosend als Böller-Attacke eingestuft, stellt sich sich später heraus, daß es sich um eine selbstgebaute Bombe gehandelt hat. Die Staatsanwaltschaft Chemnitz und das sogenannte Operative Abwehrzentrum(OAZ), zuständig für die Untersuchung von Straftaten mit mutmaßlich extremistischem Hintergrund in Sachsen, ermitteln richtigerweise wegen versuchten Totschlags. Eine Verbindung zu einer Pyro-Attacke auf ein Flüchtlingsheim in Brand-Erbisdorf im Dezember letzten Jahres wird für möglich gehalten. Trotz akribischer Tatortauswertung, Fahndung inklusive Plakat und einer ausgesetzten Belohnung in Höhe von 5.000 EURO konnte bisher kein Täter ermittelt werden.

So weit, so bedauerlich, aber auch nicht ungewöhnlich! Da heißt es eben dranbleiben, Belohnung erhöhen und den Ring des Schweigens in der Provinz, wo der Stammtisch und ein nicht unbeträchtlicher Teil der stummen Bevölkerung die Tat wahrscheinlich sogar billigen, zu brechen. Ein dickes Brett zu bohren, war noch nie leicht. Außerdem scheint man im Vereine mit der Sondereinheit bei der zuständigen Staatsanwaltschaft gut aufgestellt. Solch‘ feige Tat gehört halt mit aller Macht aufgeklärt und bestraft, ob die Opfer nun Asylbewerber sind oder nicht.

Jetzt berichtet die Freie Presse, daß die Staatsanwaltschaft Chemnitz das Ermittlungsverfahren eingestellt hat. Da traut man doch seinen Ohren und Augen nicht! Einstellungen mangels Täterermittlung sind zwar an der Tagesordnung und zum Beispiel bei aussichtslosen Fällen von Sachbeschädigung, Fahrrad- oder Einbruchdiebstahl, bei denen die Schäden obendrein meist versichert sind, auch nachvollziehbar und sinnvoll, um nicht unnötig Kapazitäten zu binden. Da stehen Aufwand und Chance einer Aufklärung zumeist in keinem gesunden Verhältnis. Bei der hier in Rede stehenden Tat- wir reden von versuchtem Totschlag! – jedoch sollte sich eine solche Verfahrensbeendigung schlichtweg verbieten. Und wenn man Jahre ermittelt! Ganz abgesehen davon ist es denkbar ungeschickt, geradezu saublöd, so etwas insbesondere im gebeutelten Sachsen zu tun. Was für ein Signal an die Betroffenen, die Bevölkerung, die ausländischen Investoren und ganz besonders den oder die sich weiter ihrer Freiheit erfreuenden und weitere Taten planenden und/oder begehenden Täter. Für letztere kommt es nahezu einer Ermutigung gleich, und angesichts der Weisungsgebundenheit der Staatsanwaltschaften muß man unterstellen, daß der sächsischen Staatsregierung an einer Aufklärung gar nicht gelegen ist.

Der Fisch stinkt vom Kopf! Kein Wunder, daß das Volk seinem tumben Unmut und Hass gerade im Freistaat so offen Ausdruck verleiht. Die Oberen dort sind ja offensichtlich aus dem selben, faulen Holze geschnitzt. Pack hält eben zusammen. Pfui!

Wenn das so weiter geht, hole ich den Karnevals-Wolf aus seiner Auszeit bald zurück. Soviel Dummheit verschlägt mir nämlich fast die Sprache!

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

 

 

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wolfsgeheul.eu vom 19.11.2015

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So wie es in den letzten Tagen durch den Blätterwald rauscht, kommen ernsthafte Zweifel daran auf, ob tatsächlich allen am Erhalt der Freiheit aufrichtig gelegen ist oder Kakophonie und sensationslüsterne Panikmache im Vordergrund stehen.

Die, die unisono „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ gebrüllt haben, übertreffen sich jetzt gegenseitig mit unkonstruktivem und verunsicherndem Thesenwirrwarr. Da wird nicht nur in unverantwortlicher Weise der „Weltkrieg“(s. Kolumne vom 15.11.2015) beschworen und erklärt, von „Ausnahmezustand“, „Notstand“, „Verteidigungsfall“ etc. gefaselt, in widerlicherweise nach Fehlern der Behörden gesucht, sondern auch die Einschränkung von Freiheiten prognostiziert und herbeigeredet.

Einen traurigen Höhepunkt bietet Christian Geyer – mein Jahrgang übrigens – mit seinem gestrigen Artikel „Notstand? Warum eigentlich nicht?“ im Feuilleton der FAZ. In der Subüberschrift fragt er „Champagner schlürfend dem Terror trotzen – sieht so westliche Freiheit aus?“ und stellt fest „Es gibt kein Menschenrecht auf Unbeschwertheit.“. Sein kryptischer und durchweg hinsichtlich der Stoßrichtung und Argumentation unverständlicher Artikel schließt mit seiner Antwort auf die in der Überschrift selbst gestellte Frage in Form der komprimierten Unsinnigheit folgender Feststellung: „Der Staat muss die Freiheit verteidigen, indem er sie seinen Bürgern beschneidet.“.

Inspiriert haben Geyer offenbar die Cover-Karikatur der aktuellen Charlie Hebdo-Ausgabe, die einen tanzenden Mann zeigt, der Champagner in sich hineinschüttet, der ihm im Strahl aus den diversen Einschußlöchern in seinem Körper wieder herausschießt, Text: „ILS ONT LES ARMES“ – „ON LES EMMERDE; ON A LE CHAMPAGNE!“, sowie die Aufforderung der Satiriker im Editoral, man solle auf diese Weise dem Terror begegnen und den Terroristen damit zeigen, daß sie nichts mit ihren Taten erreichen.

Charlie zeigt uns zunächst bildhaft, daß wir selbstverständlich frei sind, weiterhin ungebremst unseren Champus zu saufen. Ferner fordert er uns auf, offensiv öffentlich so Präsenz zu zeigen, um dem IS die Untauglichkeit seines Tuns vor Augen zu führen.

Letzteres obliegt natürlich unserer freien Entscheidung, denn das ist ja das Großartige an der Freiheit, daß sie uns nicht nur gestattet, alles Erlaubte zu tun, sondern es auch genausogut zu lassen. Und das ändert sich nach den Anschlägen in keinster Weise. Jeder Schritt vor das Haus und natürlich erst recht jeder Besuch einer Massenveranstaltung waren seit jeher mit nicht ausschließbaren Risiken verbunden. Das wird auch weiterhin so sein, eventuell aber mit erhöhtem Risiko. Da können die Sicherheitsbehörden noch so gewissenhaft arbeiten, gegen Irre und/oder klug agierende Terroristen gibt es keine endgültigen Mittel zu ihrer Entschärfung. Einzig da, wo Veranstaltungen von einer behördlichen Genehmigung – auch und gerade wegen der Plicht des Staates, deren Sicherheit zu gewährleisten – abhängen, sind Veränderung derart zu erwarten, daß manche von ihnen in nächster Zeit nicht durchgeführt werden können. Angesichts der absolut überzogenen Vielzahl solcher Verlustigungen unserer Freizeitgesellschaft müßte das verkraftbar sein. Und daß bei denen, die gleichwohl stattfinden werden können, verschärfte Kontrollen zu erwarten sind, hat rein garnichts mit Beschneidung von Freiheiten zu tun., da nur der sich ihnen unterwerfen muß, der sich die Freiheit nimmt, die jeweilige Veranstaltung besuchen zu wollen.

Geyers Gedanken springen gleichsam zu kurz wie zu weit. Erstens scheint er in überraschender Einfältigkeit wegen Sicherheitsbedenken ausfallende Veranstaltungen als Freiheitsbeschränkung anzusehen, und zweitens scheint ihm jedes freiheitsbeschränkende Mittel recht zu sein, damit er weiterhin seine mißverständlicherweise offenbar als Freiheit empfundene Vielfalt von Events vorfinden und aus ihnen auswählen kann.

Selbstredend hat der Staat die Pflicht, die Sicherheit seiner Bevölkerung zu gewährleisten, aber niemand kann von ihm erwarten, geschweige denn verlangen, daß er uns eine Garantie für Unversehrtheit gibt.

Und ein freiheitlicher Staat hat alles dafür zu tun, daß die allgemeine und die individuelle Freiheit erhalten bleiben. Ernsthafte Beschneidungen der Freiheit verbieten sich, will der freiheitliche Staat nicht in seiner Wesensart sich grundsätzlich verändern und damit seinen Namen nicht mehr verdienen. Das zu beachten, ist seine vornehmste Aufgabe.

Prost, Herr Geyer! Heben wir unsere Champagnerkelche und trinken auf die Freiheit und deren Erhalt! Vielleicht gehen sie nicht mehr zum Fußball oder zum Weihnachtsmarkt, vielleicht sogar weil die von ihnen avisierten Ereignisse abgesagt werden!? Aber glauben sie mir, daran liegt keine Beschneidung ihrer Freiheit, und der Verlust an Freizeitvergnügen, auf das tatsächlich kein Recht, geschweige denn ein Menschenrecht besteht, sei es aus Selbstbeschränkung oder Nichtverfügbarkeit, wird sich in Grenzen halten und verschmerzen lassen. Die Wahrscheinlichkeit im Straßenverkehr oder durch Krankheit sein Leben zu verlieren wird unverändert signifikant höher bleiben, als die, zum Beispiel von IS-Kugeln durchsiebt zu werden. Der Champagner bleibt also bis auf weiteres drin. Und die gewonnene freie Zeit könnten sie nutzen, demnächst etwas länger nachzudenken, bevor sie einen Artikel veröffentlichen.

Und, liebe Journalisten, hört endlich auf mit eurer Panikmache und euren sonstigen unausgegorenen Äußerungen, die übrigens wenig erstaunlicherweise heute so und morgen ganz anders ausfallen. Tageszeitung heißt doch nicht, jeden Tag eine neue Meinung feilzubieten. Fundierte Meinungen stehen länger, müssen allenfalls verfeinert und ergänzt werden. Bevor man sie aber über den Haufen wirft, muß der Sturm der Richtigkeit der Gegenargumente schon sehr stark wehen, ansonsten die Meinung nie werthaltig war.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

 

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