wolfsgeheul.eu vom 14.06.2015

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Sir Elton John, mit dem ich zum Thema „Homosexualität“ Dissens(s. Kolumnen vom 10.04.2015 und 04.06.2015) habe, hat laut T-Online vom 09.06.2015 vor kurzem anläßlich eines Konzertes in Gloucester eine Ordnerin, die im Vereine mit Kollegen Fans in den vorderen Reihen daran hindern wollte, ihre Arme hochzurecken, um den dahinter Stehenden die Sicht nicht zu versperren, zur Ordnung gerufen und wüst beschimpft. Unter dem Hinweis, dies sei sein Konzert, hat er sich dafür ausgesprochen, die Fans, die seiner Musik wegen gekommen seien, hinsichtlich der Ausdrucksform ihrer Begeisterung nicht einzuschränken. Nach der Anmerkung, man sei dort nicht in China, forderte er die Ordner dann unflätigst auf, sich zu entfernen, um danach wohl eine nicht im einzelnen zitierte weitere Schimpfkanonade auf die Sicherheitsleute herniederprasseln zu lassen. Das ganze soll dann gegipfelt sein in einem persönlichen Angriff auf die offenbar blondzöpfige Ordnerin, indem er brüllte „Da ziehst Du eine verdammte Uniform an und schon denkst Du, Du bist Hitler.“. Relativ kurz danach schon hat er sich dann bei der Dame entschuldigt, sie hierzu sogar auf die Bühne gebeten und bekundet, daß man so mit einer „Lady“ nicht reden dürfe und es ihm sehr leid tue. Soweit zu den Fakten des Vorfalles laut Bericht!

Da stehe ich doch einmal mehr auf der Seite des Weltstars. Meines Wissens gehört auch Gloucester zur freien Welt, und die Mitarbeiter der Security-Unternehmen haben doch eigentlich nur die Aufgabe, Übergriffe auf die Bühne zu verhindern und den Ausbruch von Panik und gefährlichen, nicht mehr zu kontrollierenden Bewegungen der Massen zu verhindern. Beides war offensichtlich vorliegend nicht zu besorgen. Also haben die Ordner sich wohl tatsächlich in etwas eingemischt, was sie nichts anging.

Und da kommt dann sehr wohl die Uniform ins Spiel. Sie verleitet nachweislich dazu, sich für allumfassend mächtig und zuständig anzusehen. Ähnliches habe ich gerade erst letzten Dienstag beim Auftritt von Vivienne Westwood erleben dürfen. Dieses Phänomen habe ich aber in der von mir bereisten Welt bei unterschiedlichsten Völkern in gleicher oder ähnlicher Weise erlebt und ist mutmaßlich nirgendwo anders. Daß Sir John direkt auf Nazideutschland rekukurriert, liegt an so wunderbaren Sendungen wie „Hogan’s Heroes“, die nicht so gut wären, würden sie nicht mit überspitzten Vorurteilen zur deutschen Mentalität spielen. Das darf der Sieger, und der Verlierer muß es aushalten; wenn man Humor hat, lacht man sogar als Deutscher darüber. Also nehmen wir den Hitler-Vergleich als pars pro toto und konzedieren, daß Uniformen den Menschen überall auf der Welt zum Negativen zu verändern vermögen und ihn zum Beispiel zur Kompetenzüberschreitung allein qua Kleidungsautorität verleiten.

Also, warum mußte Sir John – wenn man einmal den vielleicht entschuldigungswürdigen Unflat außer Acht läßt – eigentlich bei der Dame um Verzeihung bitten? Er mußte es nicht. Er war nicht nur die Hauptperson, sondern er hatte auch durchaus Recht. Und eine saftige Beschimpfung vorgetragen vom Star auf den Brettern, die die Welt bedeuten, ist doch das Salz in der Suppe; die Freiheit hat jeder und hat sich jedenfalls der Erfolgreiche und Unabhängige redlich verdient. Hat sich der – nimmt man einmal seine Kinder und andere mutmaßliche Opfer seiner Existenz aus – großartige Klaus Kinski jemals entschuldigt? Nein! Und das war gut so. Wir leben nicht mehr in Feudalsystemen, in denen sich die Herrschaft gegenüber dem Künstler alles herausnehmen konnte. Heute ist der Star der Feudalherr und kann, wenn er ihn denn verdient, den ihm gebührenden Respekt beim Auditorium und jedem anderen selbst einfordern. Keith Jarrett, der große Jörg Demus – selbst erlebt – und andere sind hier Vorbilder.

Also, bitte keinen Shitstorm! Freut euch der Menschen, die sich die Freiheit erkämpft und verdient haben, die Dinge offen und klar anzusprechen. Und hört zu, was sie zu sagen haben! Es ist nicht immer im Drogenrausch des Erfolges produzierter Unsinn.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

 

 

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wolfsgeheul.eu vom 12.06.2015

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Vor einiger Zeit wurde mir auf einer Vernissage ein Künstler vorgestellt, der für eine ganz pfiffige, ausladende multimediale Installation verantwortlich zeichnete, aber ansonsten eher für seine Lyrik bekannt sein sollte. Ein altes Versprechen einlösend dedizierte er in meinem Beisein einer Freundin von mir ein kleines Gedichtbändchen aus dem Selbstverlag, in das ich hineinblättern durfte, während der Autor mich auf meine Reaktion hin beobachte. Nicht hellauf begeistert gab ich es der Beschenkten zurück mit dem höflichen, leicht geheuchelten Bekunden, es mir später noch einmal in Ruhe ansehen zu wollen. Der Kommentar kam dann aber vom Lyriker selbst, der etwas herausfordernd und linkisch zugleich zu mir sagte „Das ist Romantik.“, was mir nicht entgangen war. Monate später las besagter Herr auf einem Hauskonzert in extenso aus seinen Werken, die angeblich irgendwie zum Thema des Abends passen sollten. Die Gedichte waren als mit der Brechstange zusammengestocherter Romantikvokabelsalat grausam, der Vortrag war schlecht, so daß auch er nichts retten konnte. Alles in allem eine Belästigung und unschöne Unterbrechung,  die wir natürlich trotzdem brav beklatscht haben, der ansonsten herzerfrischenden und guten anderen Darbietungen. Gegenüber der Freundin, die auf der Ausstellung das Büchlein bekommen hatte, äußerte ich später meine Einschätzung, die im übrigen von allen Anwesenden, mit denen ich entre nous gesprochen habe, geteilt wurde, unverblümt, was diese sehr höfliche Frau als zu hart beurteilte und den Hobbydichter u. a. mit dem Argument verteidigte, man müsse es trotzdem erst einmal zustande bringen. Da war der Leu in mir geweckt und ich bot an, zu beweisen, daß man von so einem Mist in einer Viertelstunde locker zwei Gedichte produzieren könne, was sie als völlig unmöglich ansah. Den Beweis habe ich, den von mir selbst vorgegebenen Zeitrahmen nicht überschritten habend, wie folgt versucht anzutreten:

Zwei lyrische Schnellgerichte

von

Wolf M. Meyer

Flutasche

Der Regen schwemmt, sauer und schwer

Die vollgesogene Traurigkeit der Korkeiche hinfort

Und die Ebbe im Salztopf der Sanftmut

Ächzt in ihrem reduzierten Leib, so

Als hätten ihre Flügel einen Kater.

Nur langsam wächst das Sternenmeer

Wieder in alte Weiten, schwarz von der Asche

Der purpurspeienden Berge, als gäbe

Der Nebel dem Licht seinen Namen.

Der Tod grüßt von der Empore,

Während im Schiff die Seelen heillos flirren,

Ohne mit der Flut zu rechnen,

Die sie bald in die salzige Unendlichkeit

Wegreißen wird, erbarmungslos und kalt.

Friede ihrer Asche!

Zinnober im Oktober

Rot, voll des schwarzen Blutes

Ausgebrochen aus dem bedeutungsschwangeren Nichts

Der Weite bis zum gekurvten Horizont des Oktogons.

Alles schwelgt im müden Frevel

Der tollen Tage, die der Sommer gebar;

Die Mäuse huschen durch die Gänge,

Der Aal ist glatt wie ein Fanal.

Da rächt sich Leidenschaft und Lab

Und läßt die giftgefüllten Bäuche schwellen

Bis ein Knall die hohen Zinnen trifft ins Mark.

Gib den müden Augen ihren Schlaf –

Bald ist November, meine Herren Ober!

Die Freundin fand dann, das Spiel bis zum Schluß nicht verstehen wollend oder könnend, meine Werke auch nicht unbedingt besser als die des vermeintlichen Profis. Sollte sie auch nicht! Mein Sieg war es doch, daß sie trotz aller Versuche, ihren hilflosen Wortzauberer gut dastehen zu lassen, diesen nicht weit überlegen, sondern durchaus gleichwertig zu empfinden schien, obwohl der sich wichtig nimmt und bestimmt stundenlang gebiert und feilt, bis eine kleine Maus den Kreißsaal verlassen kann, während ich die Dinger tatsächlich in 15 Minuten ohne Anspruch runtergerotzt habe.

Zum Glück weiß ich jetzt aber auch, daß der Romantikkomiker im Hauptberuf gutverdiender Akademiker ist. Die Künstlersozialkasse muß also für ihn keine Rückstellungen bilden. Und irgendwie ist es doch immer gut, wenn Menschen mit ihrer Freizeit etwas anzufangen wissen, und sei es auch nur mit der Hilfe des alternativen Kurses „Dichten nach Zahlen“ „Folge XX“ „Romantik“.

Und, liebe Firma Maggi(s. Kolumne vom 05.06.2015), wenn ihr, um euren Ruf zu retten,  den armen Indern vielleicht zukünftig lieber deutsche Instantgedichte aller Gattungen statt Schnellgerichte aller Geschmacksrichtungen servieren wollt, ich stehe Gewehr bei Fuß!

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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