Eingeschultwerden ist noch keine Leistung!
Neulich habe ich gelesen, daß der durchschnittliche Wert einer Schultüte inklusive Inhalt für Erstklässler heute 71,10 Euro betragen soll. Dafür hätte man früher fast eine ganze Klasse mit den traditionellen Spitztüten ausstatten können. Und ich dachte bisher, wir seien eine Leistungsgesellschaft!
Natürlich sind der Eintritt in den Kindergarten und dann in die Grundschule wichtige Stationen in der Entwicklung eines Kindes. Aber sie ergeben sich zwangsläufig durch das jeweilige Alter. Und für die Eltern ist zumindest der Beginn der schulischen Laufbahn ihrer Kinder ohnehin mit Kosten verbunden. Stifte, Hefte und ganz besonders der Tornister – darf man diesen soldatischen Begriff eigentlich überhaupt noch verwenden oder sollte man besser Ranzen sagen? – schlagen durchaus zu Buche. Also war eine kleine – die Betonung liegt auf „klein“, denn inzwischen überwiegen augenscheinlich die, die die I-Dötzchen beinahe überragen – Tüte mit Süßigkeiten zum einen das sichtbare Zeichen des meist frontzahnlosen Novizen und zum anderen eine Wegzehrung, die ihm den Beginn des Ernstes des Lebens im wahrsten Sinne des Wortes versüßen sollte. Und nur so konnten die klassischen Photos geschossen werden, die diesen bahnbrechenden Moment für die Ewigkeit festhielten. Hatte man mehrere Kinder, konnte der ansonsten eher nutzlose – wenn man von der Verwendung als Fehenhut einmal absieht – Pappkegel noch einmal verwendet werden, ansonsten geriet er umgehend in Vergessenheit und irgendwann unter die Räder. Das war’s!
In der heutigen Zeit ist die Einschulung offenbar bundesweit ein Anlaß, für ein mehr oder minder großes Familienfest. Kennengelernt haben wir diesen „Brauch“ bereits 1995, als wir mit zwei Vorschulkindern nach Sachsen zogen. Damals dachten wir noch, das dort sogenannte Zuckertütenfest sei ein DDR-Relikt. Wer viel Zeit und Mangel an christlichen Feiertagen hatte, brauchte halt andere Gelegenheiten und Ersatz. Aber offensichtlich beschränkt sich das Phänomen schon längst nicht mehr auf Ostdeutschland. Was für eine Überbewertung! Bei meiner Einschulung waren überwiegend noch nicht einmal die ehemals klassisch das ganze finanzieren müssenden Väter anwesend. Und nach dem Phototermin gingen die Mütter nach Hause und der Alltag begann.
So war es meines Erachtens auch richtig und angemessen. Welchen Eindruck sollen Kinder vom Leben gewinnen, wenn leistungslose Zäsuren bereits Geschenke- und Feierfolgen zeitigen, die denen des Weihnachtsfestes und von Geburts- oder Namenstagen ähneln!? Für letzteres muß man zwar ebenfalls nichts tun, aber damit reicht es doch auch.
Man fragt sich immer wieder, wie sich unsinnige Neuerungen in einer Gesellschaft durchsetzen können. Aber das Volk ist eben blöd und der Mensch ein Herdentier. Und wenn es was zu feiern gibt, ist man halt gerne dabei. Koste es, was es wolle. Ein Wahnwitz!
Wenn’s dem Esel zu wohl wird, ißt er ein Eis! Die größere Abkühlung wird so aber früher oder später wahrscheinlich nicht ausbleiben.
Gute Nacht!
Ihr/Euer Wolf