Herr Ai Weiwei hat wohl zu lange unter einer Diktatur gelebt und gelitten und sieht jetzt überall Feinde der Freiheit. Oder hat ihn die weltweite Anteilnahme und Anerkennung etwa überheblich gemacht, ist ihm der Erfolg zu Kopf gestiegen? Was Starallüren sind, scheint er jedenfalls zu wissen.
Sein Plan, anläßlich einer Ausstellung in Melbourne, wenn ich es richtig verstanden habe, ein wahrscheinlich – sonst wäre es nicht Ai Weiwei – riesiges Pißbecken – die FAZ spricht ganz vornehm frankophon von „Urinoir“, wir kennen es mehr als „Urinal“ – aus und/oder mit Lego-Steinen zu errichten, führte ihn zu einer Anfrage oder Bestellung bei Lego in Dänemark. Ob der Künstler die Steinchen auch noch umsonst haben wollte, ist nicht überliefert. So weit, so normal, auch wenn Kunst mit Sanitärartikeln nicht so wahnsinnig originell, geschweige denn neu ist.
Jetzt hat aber die Kinderbausteinefirma mitgeteilt, sie beteilige sich grundsätzlich nicht an auch politisch motivierten und interpretierbaren Aktionen und könne und wolle deshalb die Sammelbestellung nicht ausführen. Absolut nachvollziehbar und in meinen Augen eine konsequente Entscheidung, da Lego wohl auch in der Vergangenheit diese Haltung an den Tag gelegt hat. Selbst jedoch, wenn die Firma von der Überlegung getrieben war, es gäbe bessere Werbemöglichkeiten, als mit einem profanen Männerklo – vielleicht will Weiwei zu allem Überfluß zur Ausstellungseröffnung in einer Performance zusätzlich auf die Klosteine urinieren!? – in Verbindung gebracht zu werden, hätte sie mein vollstes Verständnis.
Nicht aber das des großen Stapelkünstlers! Der bullige Chinese poltert los und wirft der dänischen Vorzeigefirma mit über 65-jähriger Tradition in der Plastiksteineherstellung Zensur vor. Da hat er aber wirklich etwas dramatisch falsch verstanden. Ein freies Unternehmen in der freien Welt hat verdammt nochmal die Hoheit über ihre eigenen Entscheidungen und ist keinesfalls verpflichtet, einem potentiellen Kunden seine Wünsche zu erfüllen und ihn zu beliefern. Und umgekehrt würde sich Ai Weiwei mutmaßlich strengstens dagegen verwahren, wenn ein Käufer eines seiner Werke, dieses morgen in einer Bahnhofstoilette ausstellen wollte, und wenn es allein wegen der fehlenden Gleichberechtigung wäre, da dann ja entweder nur die notdurftverrichtenden Männer oder einzig die gleiches tuenden Frauen in den Genuß seiner Kunst kämen.
Mag man über die Pissoir-Idee denken wie man will, aber ich bin froh, in einem Teil der Welt zu leben, in dem souveräne Entscheidungen erlaubt und möglich sind und getroffen werden. Außerdem hört man, daß das Projekt gleichwohl mit privat zur Verfügung gestellten Bauklötzchen wird verwirklicht werden können. Siehste, geht doch alles in der Welt der unbegrenzten Möglichkeiten! Da sind wir jetzt alle gespannt, was bei Ai Weiweis künstlerischen Ausscheidungen herauskommt.
Und Lego hat immer noch die Option, für den Fall, daß es würdig und politisch neutral genug wird, sich zu rühmen, zu was ihr Produkt nicht alles verwendet werden kann. Eine kluge Haltung! Vielleicht wird über die Ereignisse auch der Künstler etwas schlauer.
Gute Nacht!
Ihr/Euer Wolf