wolfsgeheul.eu vom 25.03.2016

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Beethovens Sechste dauert keine Stunde und hat fünf Sätze. Im vierten Satz toben „Gewitter und Sturm“ und ein paar Minuten später im fünften beschreiben lautmalerische „Hirtengesänge – Frohe und dankbare Gefühle nach dem Sturm“.

Doch so schnell ist der Lauf der Welt wirklich! Noch am Dienstag reißen armselige Selbstmordattentäter in Brüssel mindestens 31 Menschen in den Tod bei gleichzeitig über 200 zum Teil schwer Verletzten und wenige Tage später herrscht schon wieder (gespenstische) Ruhe. Angesichts des Medienaufwandes – mit Sondersendungen rund um die Uhr, die sich stundenlang ob der meist noch kargen Erkenntnisse im Kreise und um sich selbst drehen -, den solche Ereignisse aus dem Stand regelmäßig hervorrufen, fragt man sich fast, was Presse, Funk und Fernsehen eigentlich in den sensationsarmen Zeiten so treiben und ob sie nicht schon wieder ungeduldig mit den Hufen scharren, bis sie erneut sinnlos Sendezeit und Geld verschleudern und den Tätern genau den medialen Teppich ausrollen dürfen, den diese bezwecken und mit Freude begehen. Drei fanatische Kamikaze und die westliche Welt steht mindestens einen Tag Kopf. Aber keine Sorge, du nimmersatte Journalismus-Hyäne, der nächste Anschlag kommt bestimmt! Dann könnt ihr wieder nach Herzenslust spekulieren und letztlich mehr verwirren und Angst und Schrecken verbreiten, als es die grausamen Taten an sich schon tun.

Ein Beispiel! Stunden nach den Anschlägen machten Nachrichten die Runde, die Belgier evakuierten ihre Atomkraftwerke. Da Tihange nur 70 Kilometer von Aachen entfernt ist, macht man sich hier vor Ort darob schon seine Gedanken. Bringen sich etwa die Betreiber in Sicherheit und überlassen uns unserem Schicksal!? Nein! Tage später stellt sich heraus, daß man lediglich hunderte Beschäftigte fremder Unternehmen, die tagtäglich auf dem Kraftwerksgelände Arbeiten verrichten, erst einmal nach Hause geschickt hat, um sicherer gehen zu können, daß sich nur bekannte, überprüfte und wohlmeinende Mitarbeiter in der Gefahrenzone aufhalten und nicht irgendwelche getarnten Verbrecher, die Böses im Schilde führen. Eine sehr vernünftige Maßnahme also! Die undifferenzierte Zwischennachricht war demnach vollkommen überflüssig und fahrlässig, da sie lediglich geeignet war, unnützerweise Verunsicherung herbeizuführen.

Man wünscht sich trotz aller Tragik und Betroffenheit mehr Gelassenheit und Verantwortungsbewußtsein der Journalisten. Bei Unwetter bringt man sich zunächst in Sicherheit und harrt der Dinge, die da kommen. Und danach ist man erst einmal froh und dankbar, daß es vorbei ist. Dann kann man sich in Ruhe der Besichtigung und Beseitigung respektive Aufarbeitung der Schäden widmen. Wenn man aber wie ein aufgescheuchtes Huhn in die Naturgewalten hineinläuft, gefährdet man nur sich und als Journalist sogar noch andere.

Und, daß es geht, zeigt eine Meldung auf T-Online von heute: „Zwölf Tote bei Verkehrsunfall in Frankreich“. Zehn karge Zeilen, keine Sondersendung mit Dauerberieselung! Und ansonsten, T-Online, macht weiter Realsatire! Das könnt ihr doch sowieso am besten. Überschriftenbeispiele von heute:

„U-Bahn-Haltestelle Jungfernstieg wird 85 Jahre alt“; das nennt man dann wohl eine alte Juffer! „US-Komiker stirbt mit 66 Jahren“; wahrlich sein größter Gag, denn mit 66 fängt das Leben doch eigentlich erst an! „Der Ball verliert seinen besten Freund“ zum Tode Cruyffs; muß ein masochistischer Ball sein, der seinen Treter vermißt! Und: „Falscher Zahnarzt quälte Patienten“; na, das unterscheidet ihn ja nun in keinster Weise von seinen echten Kollegen, das ist berufsimmanent und eher ein Zeichen dafür, daß mit ihm eventuell doch alles richtig war.

„Im Tale grünet Hoffnungsglück;“!

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

 

 

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wolfsgeheul.eu vom 26.01.2016

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Wenn man ein Kolumnenthema sucht, ist auf allenthalben in Erscheinung tretende Realsatire fast immer Verlaß.

Heute war es meine T-online-Startseite, die das Futter stellte. Dort wurde ein Live-Expertenchat zu Kreuzfahrten angeboten. Wenn diese Urlaubsform auf einer Allerwelts-Homepage diskutiert wird, muß auch dem letzten klar sein, daß die Kreuzfahrt ihren alten Glanz endgültig eingebüßt hat und inzwischen Hinz und Kunz offen steht. Was für ein Verlust an Noblesse! Aber diese schwimmenden Proletenclubhotelanlagen haben ohnehin nichts mehr mit der alten edlen Personenschifffahrt gemein. Es ist in meinen Augen auch und gerade aus Umweltschutzgesichtspunkten eine verheerende Entwicklung, Luxus zunehmend zu sozialisieren. Und wo bleiben da noch die lebenserhaltenden Träume!?

Richtig lustig war aber die Überschrift, der Aufmacher für diesen Gesprächskreis: „Dauernd seekrank: Was kann ich tun?“. Was für eine Frage! Wenn ich nicht schwimmen kann, sollte ich nicht in tiefes Wasser springen, und wenn ich das Bötchenfahren nicht vertrage, macht es keinen Spaß und ich sollte es lassen bzw. auf die Schiffspassagen beschränken, die nicht anders zu bewältigen, fürs unbedingt notwendige Fortkommen jedoch unerläßlich sind.  Aber Schiffsurlaub!? Macht denn jemand mit Höhenangst Wanderurlaub im Hochgebirge!?

Hier zeigt sich eine grassierende unheilvolle Tendenz in unserer Freizeit- und Mißgunstsgesellschaft, nämlich die, persönliche  körperliche oder psychische Beschränktheiten nicht mehr einfach hinzunehmen und sein Leben daran auszurichten. Jeder muß und will alles mitmachen können, mithalten und am besten den anderen übertreffen. Warum eigentlich? Ein Rollstuhlfahrer käme sicherlich niemals auf die Idee, Beachvolleyball spielen zu wollen. Er wäre darob bestimmt aber nicht unglücklich. Warum auch!? Es gibt genügend andere Sportarten, die sich auf Rädern praktizieren lassen, so daß man die unter den gegebenen Einschränkungen unsinnigen Betätigungen getrost außer Acht lassen kann. Aber der moderne Mensch ohne Grenzen läßt sich natürlich von nichts aufhalten. Da gibt es doch was von Ratiopharm. Die dicke Mutti mit ihren folgerichtigen Kniebeschwerden wird Dank der neuen Schmerzsalbe auch wieder zum jungen Hüpfer, statt einmal über das Abspecken nachzudenken.

Mir wird diese Welt immer fremder. Wollen wir uns nicht mehr unterscheiden und den anderen ob seiner Fähigkeiten, die man selbst nicht besitzt, in aller Gelassenheit und in ehrlicher Gönnerpose beglückwünschen und bewundern? Damit verlieren Vielfalt und Andersartigkeit ihren ureigenen Wert. Die meisten werden gleicher und streben sogar danach. Die Zufriedenheit steigt dadurch allerdings in keinster Weise, denn die nächste vom bösen Nachbarn bereits bestandene Herausforderung wartet schon. Dafür werden Schulden gemacht und Unannehmlichkeiten in Kauf genommen. Dabei sein ist alles. Und wer fragt wegen der Risiken und Nebenwirkungen schon seinen Arzt oder Apotheker!? Die sind doch ohnehin bestimmt wieder auf einer Kreuzfahrt. Ahoi!

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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