wolfsgeheul.eu vom 22.09.2017

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Ertappt!

Rund ums Jahr trage ich eine Mütze, wenn ich das Haus verlasse und mich unter freiem Himmel aufhalte. Sobald ich einen Raum betrete, nehme ich diese allerdings automatisch ab. So bin ich erzogen. Gestern begebe ich mich in meinem Discounter zur Kasse, an der einmal wieder meine Lieblings-Netto-Mitarbeiterin sitzt. Der erwartete Gruß schon aus der Distanz blieb aber aus. Erst als ich näher trat, erkannte sie mich und holte dies nach.

Was war geschehen? Gewöhnlich habe ich Schlägermützen auf. Bei meinem gestrigen Besuch trug ich allerdings eine bretonische Fischermütze, eine schirmlose Version der so weit verbreiteten, aber eigentlich außerhalb des Sports recht stillosen Basecap. Deshalb hatte sie mich zunächst nicht erkannt. Ein einziges verändertes Kleidungsstück kann also bereits die Identifikation erschweren.

Viel schlimmer aber erscheint mir die bittere Erkenntnis, daß mir ein Supermarkt offensichtlich nicht würdig genug erscheint, um meinen Kopfschmück wie gewohnt abzunehmen, wenn ich in ihn hineingehe. Den nüchternen Regallagerraum dürfte dies komplett ungerührt lassen. Aber warum erweise ich den dort tätigen Angestellten nicht die Ehre eines baren Hauptes?

Man lernt halt nicht aus. Chapeau, liebe Netto-Kassiererin! Sie haben mir etwas klargemacht und beigebracht. Von jetzt an präsentiere ich auch dort mein schütteres Haar unverhohlen in voller Pracht.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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wolfsgeheul.eu vom 22.09.2016

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Neue Erkenntnis: Die Kastanie ist ein Sinnbild der Freiheit.

Vor meinem Bureaufenster steht stolz ein prächtiges Exemplar dieser Gattung und seit rund zwei Wochen trommeln die edelglänzenden braunen Kugeln mit lautem Knall auf die darunter abgestellten Autos.

In Deutschland wird an allen Ecken und Enden (über)reguliert und mehr und mehr verboten, aber die Roßkastanie bleibt von Verwaltung und Justiz unbehelligt. Sie wächst in unermeßliche Höhen und wirft im Herbst fröhlich ihre schwere Fracht ab, ohne daß ihr irgendjemand an den Kragen oder besser Stamm könnte. Wenn sie auf menschliche Köpfe oder – fast noch schlimmer – auf die Dächer geliebter Automobile fallen und Beulen hinterlassen, ist das Schicksal und keiner kann dafür in Regreß genommen werden. Das gleiche gilt übrigens auch für Obst und Nüsse. Die Gerichte unterstellen ein überwiegendes Mitverschulden derer, die angesichts eines prall gefüllten Baumes darunter hergehen oder parken. Das mutet eingedenk der deutschen Vollkaskomentalität und der hohen Wahrscheinlichkeit, daß auch der Audi A4 eines der obersten Richter unseres Landes schon Opfer einer solchen Himmelsattacke geworden ist, fast schon wie ein Wunder an.

Etwas anders scheint aber genauso erstaunlich. Während nämlich die eßbaren Hinterlassenschaften unserer Flora in der heutigen Zeit meist verrotten, weil deren Kauf im Supermarkt unbeschwerlicher ist, als sich zu bücken, werden Kastanien von Alt und Jung – nahezu keiner geht achtlos vorbei – aufgelesen und mitgenommen, obwohl jeder weiß, daß ihre Schönheit schnell verblaßt und auch sonst deren Gebrauchswert gegen Null tendiert. Und so verschwinden sie in Manteltaschen oder landen auf Kommoden und werden oft erst weggeworfen bzw. ausgetauscht, wenn nach Jahresfrist frische Exemplare verfügbar sind.

Bisher habe ich – obwohl ich ihn selber pflege – diesen Brauch nicht recht verstanden. Aber vielleicht hat der Mensch tiefverwurzelt eine Idee von Freiheit, die er symbolisch verkörpert in der Kastanie sieht.

Wäre sie nicht braun, eignete sie sich fast als mahnendes Zeichen auf unserer Nationalflagge dafür, daß es nichts Wichtigeres für unser Gemeinwesen gibt, als größtmögliche Freiheit zu bewahren.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

 

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