wolfsgeheul.eu vom 25.08.2016

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Luxusfüller unnötig!

Mitnichten! So wird Bundestagspräsident Lammert zwar verkürzt zitiert(T-Online), aber das verfälscht seine Aussage vollkommen. Er hat nämlich lediglich deren Anschaffung aus Bundesmitteln für obsolet erklärt. Das ist gut so, denn ein teures Tintenschreibgerät ist alles andere als überflüssig.

Wer überhaupt noch die Handschrift pflegt und je einen edlen Kolbenfüllfederhalter besessen hat, weiß welch‘ Glücksgefühle sich einstellen, wenn ein auf den Besitzer eingeschriebener moderner Federkiel mit seiner güldenen, gespalteten Spitze sanft über das Papier gleitet, gleichmäßig sowie ohne unschöne Unterbrechungen seine nachtblaue dokumentenechte Tinte verteilt und den geschwungenen Linien erst Erhabenheit und Bedeutung verleiht. Kein anderes Schreibgerät verhilft zu einer ansehnlicheren Schrift. Und es ist wie mit allen Kleinodien, sie begeistern durch ihre Schönheit, ihre darin verkörperte Handwerkskunst und begleiten einen bestenfalls ein Leben lang, wenn man die eherne Regel, daß man Frauen und Füller nicht verleihen sollte, beachtet, um die durch den Gebrauch individualisierte Feder nicht vom Kurs abzubringen. Ein luxuriöser Federhalter ist in seiner Ökobilanz dem Wegwerfprodukt weit überlegen und verkörpert zusätzlich Lebensart und Klasse.

Letztere haben aber viele derer, die auf Staatskosten ihr Budget für Montblanc-Produkte geplündert haben, schon nicht. Für sie ist so ein schwarzer Zelluloid-Stab nichts anderes als ein Statussymbol, um vermeintlich im Kreis der Schönen, Reichen und Gebildeten Aufnahme zu finden, was natürlich nicht gelingt, weil sie trotz der Ausstattung doch die alten Emporkömmlinge und Proleten- siehe pars pro toto unser Ronald (McDonald) Pofalla – bleiben. Man erkennt sie zum Beispiel sofort daran, daß sie das teure Schreibutensil an exponierter Stelle sichtbar wie in der Brusttasche – ein Detail, das übrigens(s. auch Kolumne vom 17.09.2015) an ein Doppelmanschettenhemd, wenn es denn überhaupt getragen wird, gar nicht gehört, so daß bereits deren Existenz daran auch ohne Montblanc-Phallus den Banausen entlarvt – des Hemdes ausstellen. Deshalb ist es richtig, daß kein Betriebsmittelbudget dafür herhalten sollte, dem Mitarbeiter seinen Kolbenfüller zu finanzieren. Dieser höchstpersönliche Gegenstand taugt nicht als Position auf der Bureauartikelbestellliste. Er muß selbst mit gebührender Sorgfalt erworben oder einem von einer nahen Person als Geschenk dediziert werden. Die Tinte als Verbrauchsstoff darf dann gerne aus dem Bundesetat bezogen werden. Die anderen sollen weiterhin billige Kugelschreiber, die natürlich genauso ihren Zweck erfüllen, ordern, wenn sie auf Stil keinen Wert legen oder keinen solchen besitzen.

Damit befinden sie sich dann auch in „guter“ Gesellschaft, denn wie oft sieht man heute die Mächtigen der Welt, wie sie maßgebliche Verträge mit wertlosen Schreibern unterzeichnen, was vielleicht sogar die häufig schlechte Qualität und/oder geringe Lebensdauer der Dokumente erklären könnte. Wer mit Wegwerfkulis signiert, produziert Wegwerfkontrakte. Es fehlen dann Wertschätzung und Achtung.

In einer sich rapide verändernden und leider oft verschlechternden Welt sind Unternehmen wie Pelikan, Montblanc, Omas, Waterman, Cross etc. mit ihren Produkten so etwas wie der Fels in der Brandung der Nachhaltigkeit und des guten Geschmacks. Insoweit hatten die raffgierigen Politikamateure sogar den richtigen Riecher.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

P.S.: Sollte sich übrigens herausstellen, daß Dr. Lammert mit seinem Rumgeeiere in der Affäre wirklich, wie es Bild behauptet, den so bedeutend unbedeutenden Pofalla hat schützen wollen, wäre er leider aber unabänderlich aus dem Rennen um die Bundespräsidentschaft(s. Kolumne vom 07.06.2016) unehrenhaft ausgeschieden.

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wolfsgeheul.eu vom 03.05.2016

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Beuys vertrat die Auffassung, daß jeder Mensch ein Künstler sei. Dagegen meine ich inzwischen, daß jeder Künstler auch nur ein Mensch ist.

Früher hatte ich die glorifizierende Vorstellung, der Künstler sei der Getriebene seiner genialen Veranlagung. Heute glaube ich, daß er genau wie jeder andere seinen Ansprüchen immer hinterherhechelt. Kunst ist nämlich zuallererst einmal solides Handwerk. Wer das nicht erlernt und spielend beherrscht, wird ohnehin kein Großer seines Fachs. Und dann entwickelt sich bei ihm genauso der Kampf mit den inneren Nöten und Begrenztheiten, es beginnt die mühselige Suche nach dem eigenen Weg. Bilder fließen eben nicht einfach aus dem Pinsel und Musik nicht aus der Feder. Das Schaffen von Werken ist ein langer Prozeß von Experimentieren und der Findung eines Konzeptes. Unabhängig von der Frage, ob etwas tatsächlich neu ist, gar überhaupt neu sein kann oder – was wohl richtiger ist – immer nur eine Kombination aus Vorhandenem und Bekanntem darstellt, geht es vor allem darum, ein persönliches Thema, einen eigenen Stil zu finden. Nur dadurch kann es gelingen, herauszuragen und etwas wirklich Einzigartiges zu entwickeln, das hervorlugt aus dem Meer der Mittelmäßigkeit. Der Kopist oder der phantasielose Produzent von Publikumsgeschmack beendet – unabhängig von eventuellem wirtschaftlichen Erfolg – bereits sein Künstlertum, bevor er diese Stufe der Erhabenheit überhaupt erreicht hat. Nur wer weiter an sich und seinem Werk arbeitet, kann ernst genommen werden. Dieses ständige und niemals endende Ringen ist es, das einen echten Artisten zum einen auszeichnet und zum anderen immer wieder auch zermürbt, denn es ist einfach anstrengend, nicht nur als Mensch, sondern auch in seinem Beruf einzig zu sein. Und da genau liegt der Unterschied zu anderen Berufen und Berufungen. Während es in der nichtkünstlerischen Welt ausreicht, seine Arbeit gut zu machen, muß der Künstler sich ständig verbessern und hinterfragen. Und weil er sich nie am Ende einer und seiner Entwicklung sieht, betreibt er sein Tun oft auch viel verbissener, ja muß es vielleicht sogar. Die meisten Künstler sind nämlich nicht – Ausnahmen bestätigen natürlich wie überall die Regel – oder nicht allein die fröhlichen Lebemenschen, sondern eher humorfernere und ernstere Naturen, deren innere Zerrissenheit und Selbstzweifel häufig ans Pathologische grenzen, so daß sie mehr noch als der Mensch generell dazu neigen, ihr Heil in der Bewußtseinserweiterung und Ablenkung zu suchen, was sie anfälliger für Drogen und zu zwanghaften Hedonisten – eigentlich ein Widerspruch – machen kann. Und letztlich muß auch ein Künstler leben, also ganz profan mit seinem Schaffen Geld verdienen. Künstlersein ist für die meisten harte Arbeit, weswegen manche auch viel zu viel über das Entstehen ihrer Kunst und die dahinterstehenden Überlegungen berichten. Eine drängende Bitte um Würdigung ihres überproportionalen Einsatzes und der Ruf nach Ernstgenommenwerden! Ist das wirklich beneidenswert oder mehr ein selbstauferlegtes schweres Los? Es gleicht eins zu eins dem „wahren“ Leben: Nur die, denen ihr Schaffen einigermaßen leicht von der Hand – die gibt es nämlich in allen Lebensbereichen, also auch in der Kunst – geht, leiden nicht zu stark unter dem, was sie tun. Alle anderen überfordern sich, egal wie bereichernd ihre Kunst auch sein mag.

Wer sich also überlegt, ob er Künstler werden will, sollte eher disziplinierter sein als der Durchschnitt, da in seiner Arbeit erheblich größere Gefahren für ihn selbst lauern und die Luft oben noch dünner wird als in gewöhnlichen Berufen. Denn „Angst essen Seele auf“!

Das alles sollte man bedenken, wenn einem Künstler das Leben versüßen mit ihrer Arbeit. Sie sind Menschen wie Du und Ich, aber sie machen sich um unser Wohl verdient. Das ist allen Dankes wert. Applaudieren wir immer kräftig und bringen sie zum Lachen, damit sie durchhalten und weiter für unsere Zerstreuung sorgen.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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Bild: Harald Klein, Photo: Wolf M. Meyer

P. S.: Und, liebe Künstler, bleibt locker! Es hilft euch und uns! Eure Werke auch ohne Hintergrundwissen und Erklärungen einfach nur schön zu finden, ist doch das größte Lob. Während man auf gefallene Mädchen herabblickt, schaut man zu gefallender Kunst auf.

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