„OTTO…..fand ich noch nie gut“!
Über eine ganze Seite berichtet die FAZ im Berufsteil der Samstagsausgabe vermeintlich journalistisch(Autor: Corinna Budras), in Wirklichkeit aber vollkommen kritiklos, was tief blicken läßt, fast ganzseitig über den Versender OTTO, der sich einen „Leiter Unternehmenskultur“ leistet. Seine Aufgabe besteht darin, die Mitarbeiter des Unternehmens in der Mittagspause zu bespaßen. Dafür wurde extra eine „Lounge 6“ genannte Veranstaltungsstätte geschaffen, in der dann zum Beispiel YouTube-Filmchen gezeigt werden und zur Mittagszeit eine Disco durchgeführt oder ein Poetry Slam abgehalten wird. Auch andere Arbeitgeber wetteifern offensichtlich kreativ um die Pausengestaltung, beispielsweise mit als „Luncheons“ bezeichneten Mittagessen, die mit Vorträgen garniert oder als Netzwerk-Events ausgestaltet werden.
Ja, ihr gleichgeschalteten Angestelltenlemminge, merkt ihr noch was!? Reicht es euch nicht, mit einer elektronischen Fußfessel – genannt Firmenhandy – und Betriebsfeiern sowie Abteilungs-Retreats vom eigenen, selbstbestimmten Leben abgehalten zu werden? Müßt ihr tatsächlich auch noch in der Mittagspause euch dem billigen Gehirnwäschegeriesel aussetzen, daß man euch gütigst bereitstellt? Wo bleibt da die anarchistische „Kantinenschauspielerei“ à la Harald Schmidt(s. Kolumne vom 05.04.2016)!?
Engagierte und loyale Mitarbeiter zu haben und zu pflegen, ist in Ordnung, ihnen jedoch sektenartig den Unternehmensgeist über das ganze Leben zu stülpen, stellt eine unredliche Vereinnahmung von Menschen dar, die einer Versklavung gleichkommt. Aber sind die Unternehmen dafür zu schelten? Vielleicht nicht, denn der freizeit- und eventorientierte Mitarbeiter neuen Schlages, der es einzig gewohnt ist, daß man etwas mit ihm unternimmt, verlangt doch geradezu danach. Und in einem Arbeitnehmermarkt könnten sich die Arbeitgeber so praktisch gezwungen sehen, in ihrem Werben um gute Arbeitskräfte alle Register zu ziehen. Nein, so viel Wohlwollen verdienen sie nicht. Vielmehr ist es wie immer eine Sauerei, denn letztlich waren Firmen noch nie Samariter. Es geht ihnen nämlich allein um den Profit, und der wohlanimierte Angestellte ist eben nicht so widerborstig und schaut nicht vornehmlich aufs Geld, wenn nur das Umfeld stimmt. Hier entlarvt sich auch das Heuchlerische am angeblichen Trend zum kritischen Mitarbeiter. Stattdessen sucht und findet man potentielle Guru-Anhänger, die alles mit sich machen lassen.
Wann traut sich wohl ein Unternehmen, einmal damit zu werben, daß bei ihm hart gearbeitet, dafür aber auch gut bezahlt wird und es für besondere Verdienste Kartengutscheine zum Beispiel für die Oper, das Symphoniekonzert oder Theater gibt? Ehrliche Arbeit ohne überflüssiges Chichi! Alles andere ist doch ohnehin eine Illusion. Und wann gibt es wieder eine intelligent aufsässige Jugendgeneration, die Herrn OTTO auf die Bühne scheißt, wenn er ihr mit primitiven Mätzchen die Mittagspause versauen will? Der Trend ist nämlich besorgniserregend. Denn wer heute bei OTTO begeistert die „Lounge 6“ besucht, jubelt morgen eventuell auch wieder kritiklos auf Parteitagsinszenierungen einem neuen Führer zu.
Gute Nacht!
Ihr/Euer Wolf