wolfsgeheul.eu vom 26.10.2015

0
0

Meine Mutter, die, so Gott will, bald ihren neunzigsten Geburtstag begehen wird, hatte neulich einmal wieder Schmerzen im Nacken und Rücken sowie in den Schultern. Anläßlich eines turnusmäßigen Besuches bei ihrer Hausärztin kam auch das eher beiläufig zur Sprache, mit dem Ergebnis, daß sie unumwunden Massagen verschrieben bekam. Die ersten ihres Lebens! Und letzteres ist die Pointe dieser vermeintlich belanglosen Begebenheit.

Eine zweite ergibt sich aus der vollkommenen Fassungslosigkeit der noch recht jungen Physiotherapeutin, die bei der ersten Anwendung feststellen mußte, eine total unerfahrene und ungeübte Patientin vor sich zu haben. Es nicht für möglich haltend, daß es sich um eine Premiere handeln sollte, setzte sie nach und fragte ungläubig, ob meine Mutter denn nicht im Rahmen ihrer Kuren mit Massagen in Berührung gekommen sei. Die Antwort, daß noch nie ein Kuraufenthalt stattgefunden habe, zerstörte praktisch ihr Weltbild. Die Tatsache, daß sich der Vorgang im Osten Deutschlands, wo meine Eltern vor zehn Jahren hin verzogen sind, abgespielt hat, gibt der Geschichte eine zusätzliche Würze, da die Erfahrungen mit den Gepflogenheiten der westlichen Überflußgesellschaft erst ein Vierteljahrhundert alt sind.

Nun kann man einwenden, daß meine Mutter immer zu gesund war und damit das Glück hatte, die Segnungen des Wohlfahrtstaates nicht erfahren zu dürfen bzw. zu müssen. Jeder aber weiß aus eigener Erfahrung im Umfeld, daß relative Gesundheit noch nie ein Hinderungsgrund war, im kollusiven Zusammenwirken von Arzt, Krankenkasse und Patient ein paar physiotherapeutische Anwendungen oder gar eine Kur bewilligt zu bekommen oder, richtiger, zu ergattern. Spätestens das Alter brachte die Berechtigung und den Vollzug, obwohl dies in Bezug auf reine Erholungskuren besonders überrascht, da diese nach ursprünglichem Verständnis eigentlich in der Hauptsache das Ziel haben sollten, die Arbeitsfähigkeit wiederherzustellen, was bei Pensionisten in der Regel nicht notwendig ist und deshalb nicht Aufgabe der Solidargemeinschaft sein sollte und müßte, sondern ein reines Privatvergnügen darstellt.

Wer also jetzt noch die Frage stellt, warum unser Gesundheitssystem finanziell aus allen Nähten platzt, braucht sich nur die Geschichte der Bundesrepublik nach dem zweiten Weltkrieg in Erinnerung zu rufen, um zu erkennen, daß die meisten wie die Made im Speck gelebt haben und obendrein glaubten, das nicht nur verdient, sondern sogar ein Recht darauf zu haben.

Es ist diese zum wiederholten Male zu beklagende Sattheit der Menschen, die unser Volk so unbeweglich und uninteressiert gemacht hat. Eine Bevölkerung, die nicht nur duldet, daß Systeme mißbraucht werden, sondern selbst die gedanken- und gewissenlosen Plünderer stellt, hat den Boden unter den Füßen und ein gesundes Judiz und Wertegerüst verloren. Ohne einen solchen Kompaß aber irrt man ziel- und meinungslos durchs Leben, letztlich nur auf den eigenen Vorteil bedacht. Anders ist die überwiegend passive Haltung der Gesellschaft zu allen wichtigen Fragen der Gegenwart und Zukunft nicht zu erklären.

Die große Aufgabe, vor der wir stehen, wird also sein, die genauso vollgefressenen wie gemäßteten, dickbäuchigen Deutschen wieder daran zu gewöhnen, daß das Fortkommen ihres Landes von ihrer aktiven und konstruktiven Teilhabe und -nahme abhängt und keiner das Recht hat, nur an sich selbst zu denken und das Maximale für sich herauszuholen. Ein solches Volk verliert nicht nur seinen Zusammenhalt, sondern auch seinen Sinn als solidarisch soziale Gemeinschaft.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

0
0

wolfsgeheul.eu vom 01.10.2015

0
0

Übermorgen begehen wir den 25. Jahrestag der deutschen Einheit. Und was bekommt jeder Haushalt heute geschenkt? Kein „Durchhalte-Geld“ vom Staat, sondern die Sonderausgabe der Bildzeitung. Immerhin!

Selbst der größte Bild-Hasser guckt da mutmaßlich einmal kurz durch. Insofern ein Erfolg für den Zeitungsverlag. Was fällt innerhalb der Ansammlung von Belanglosigkeiten auf?

Auf der dritten Seite eine ganzseitige VW-Anzeige! „Einigkeit“ in schwarz, darunter „Recht“ in rot und abschließend ein gelbes Beetle-Cabrio! Schönes Auto, das tatsächlich Freiheit verkörpert! Aber „Recht“ in der Warnfarbe Rot! Die Aktualität verändert halt Bedeutungen!

Ein paar Seiten weiter zwei alternde Blondinen in schwarzem Lederoutfit mit einem angeblich lebendigen Wolf im Wald. Veronica Ferres guckt wie eine gelangweilte häßliche Zwangsprostituierte und Maria Furtwängler gibt alles, aber nicht genug für den Vamp und ähnelt dabei noch ein wenig Ursula von der Leyen. Dagegen sah Gabriele Pauli authentisch und zum Anbeißen aus. Der Starphotograph Jimmy Nelson will mit dem Photo offenbar der Frage „Was ist deutsch?“ nachspüren. Ich glaub‘, ich steh im Wald!

Und in der Mitte des zweiten Teiles dann 25 junge Menschen(13 Frauen, 12 Männer), die am 3. Oktober 1990 geboren wurden! Eigentlich eine ganz nette Idee! Aber warum kommen mit zwei Sachsen und einer Berlinerin nur drei Ostdeutsche zu Wort, obwohl die sechs neuen Bundesländer 37,5% aller die Bundesrepublik konstituierenden repräsentieren und die meisten West-Jugendlichen mit großer Wahrscheinlichkeit eher wenig mit dem vereinten Deutschland in Kontakt gekommen sind, somit zu diesem Thema wenig beizutragen haben? Sinnlos, zu fragen, was Bild sich denkt! Erschreckend ist übrigens, daß erstens fast die Hälfte noch bei ihren Eltern lebt und zweitens neben einer, die bereits ein Kind hat und mit dem zweiten schwanger ist, nur drei weitere Mädels und kein einziger Junge einen Kinderwunsch äußern. Erstaunlich sind auch die großteils überzogenen Erwartungen an die nächsten 25 Jahre. Da will man Chef oder sogar Nobelpreisträger sein oder Häuser auf Ibiza bzw. eigene Inseln besitzen. Dagegen nimmt sich der Wunsch nach einem begehbaren Kleiderschrank fast bescheiden aus. Erfreulich ist der weltoffene Sachse, der seinem Bruder eventuell nach Amerika folgen möchte. Oder will der nur dem traurigen Freistaat den Rücken kehren? Nett sind auch der, der sich überraschen lassen will, und der Student des Verkehrsingenieurwesens, der hofft, dem Verkehrsstau in Deutschland zu Leibe rücken zu können. Alles in allem wohl doch ganz normal und wie früher, nur mit dem Unterschied, daß kaum noch einer vornehmlich an Familie und Kinder denkt. Insofern beängstigend!

Genauso beängstigend wie der gesamte Zustand der Republik! Führungslos dahindümpelnd und affektiv handelnd! „Zukunft gestalten“ sieht anders aus!  Und ein Ostdeutschland, das sich zunehmend wieder in Ostalgie ergeht und separiert – welch‘ Wunder, wenn man Super-Illu liest – sowie offenbar in zwei Diktaturen so verängstigt und verbogen wurde, daß es bis heute zu einem seriösen und vernünftigen Judiz nicht fähig ist, und ein Westdeutschland, das maximal neidisch ist und sich ansonsten mehrheitlich nicht ernsthaft für die Ostdeutschen interessiert. Auch „Einheit“ sieht anders aus!

Ein denkwürdiger Feiertag also! Zeit aber vielleicht, um endlich zur Besinnung zu kommen! Gute Vorbilder sind gefragt. Wo sind die nur!?

Einigkeit und Recht und Freiheit, für das deutsche Vaterland, danach laßt uns alle streben, brüderlich mit Herz und Hand! In diesem Sinne

gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

P.S.: Wenn etwas gut ist, muß es auch erwähnt werden! Auf der letzten Seite der Gratis-Bild stehen zukünftige Schlagzeilen, auf die sich die Redaktion in den nächsten 25 Jahren freut. Eine davon: „Soli abgeschafft – Gysi rückt die SED-Milliarden raus!“! Das wäre tatsächlich ein Beitrag zur Einheit, wenn ergaunertes Volksvermögen wieder dem Volke und nicht kommunistischer Propaganda und ominösen Ex-SED-Wirtschaftsnetzwerken zugute käme.

 

 

 

0
0