wolfsgeheul.eu vom 06.12.2016

0
2

„Non vitae, sed scholae discimus.“

Dieses Zitat von Seneca, mit dem er Kritik an den Philosophieschulen seiner Zeit geübt hat, war mir bisher immer nur umgekehrt bekannt. Schon wieder eine Bildungslücke! Hätten meine Pauker uns noch pauken lassen, wäre dieses Vakuum vielleicht nicht entstanden. Aber das war in meiner schulischen Ausbildung leider schon weitestgehend aus der Mode.

Und so bin ich konsequenterweise kein besonders guter Lateiner – denn anders lernt man diese Sprache nicht richtig – geworden. Aber auch meine Standardgeschichtskenntnisse – mein Einser im Abitur sagt diesbezüglich gar nichts aus – halten sich gemessen an früheren Standards bedauerlicherweise in überschaubaren Grenzen, weil das Bimsen von historischen Daten – wie „333“ oder „753“ – ebenso als old-fashioned galt. Das bedauere ich sehr, denn ich bin der festen Überzeugung, daß diese eventuell zunächst profan erscheinende Bildung eine enorme Hilfe zum Beispiel bei der Beurteilung aktueller (geo)politscher Entwicklungen darstellt. Deshalb pläderiere ich dafür, in allen Fächern neben Einzel- und Spezialwissen die Grundstruktur im Wege einer sturen Faktenvermittlung den Schülerköpfen einzutrichtern. Nur so bildet sich ein ausreichend dichtes, fast im Schlaf abrufbares Raster heraus, in dem man sich später sicher bewegen und Neues besser bewerten und einordnen kann. Auch ansonsten stellen fest verankerte Daten und Fakten sowie Automatismen eine solide Basis für eine schnelle Auffassungs- und Entscheidunggabe dar.

Genau das können und konnten unsere Väter und Vorväter eindeutig besser und es bedeutet und bedeutete einen klaren Bildungsvorsprung. Wenn ich mit meiner Einschätzung richtig liegen sollte, müßte demnach an den Schulen heute nicht weniger, sondern mehr gebimst werden.

Aber was muß ich da in einem dpa-Interview mit dem sogenannten OECD-Bildungsexperten Andreas Schleicher im Zusammenhang mit der letzten PISA-Studie, bei der Deutschland abgesackt ist, lesen!?

„….., weil das Bildungssystem weiterhin sehr altmodisch ist. Das Ergebnis: Wo Deutschland sich einbildet, gut zu sein, sind große Lücken. Fach- und Paukwissen verliert an Bedeutung – Google weiß schon alles. Die Welt belohnt uns dafür, was wir mit dem Fachwissen am Ende anstellen.“

Da will man also offensichtlich den Teufel mit dem Beelzebub austreiben. Die jungen Leute werden stetig ungebildeter, und die Fachwelt macht sich über Grundlagenwissen mit dem Hinweis verächtlich, das sei im Googlezeitalter – so neu ist das übrigens nicht, denn auch früher gab es umfassende Nachschlagewerke, die alledings, das gilt es zuzugestehen, nicht jedem zu jeder Zeit zur Verfügung standen – nicht mehr zu lehren, weil es allseits verfügbar ist. Eine geradezu tolldreiste Argumentation! Was helfen mir denn die jederzeit abrufbaren Netzinformationen, wenn ich diese dann nicht verorten und verwerten kann!? Sind wir nicht auch in der Mathematik schlechter geworden, weil wir das Rechnen schon sehr früh dem Taschenrechner überlassen haben? Und beherrschen die jungen Leute deshalb zunehmend die Rechtschreibung nicht mehr, weil bei der Basislehre auf stures Lernen und das Einbläuen der Systematik verzichtet wird?

Wer die Welt begreifen und sich in ihr frei und souverän bewegen will, muß sie bestmöglich kennen. Nur so kommt über Bildung ein klügeres oder zumindest abgewogeneres Urteil und Handeln heraus.

Warum nur gilt alles Alte so oft als schlecht? Und wie kommt es, daß Menschen, die mutmaßlich eine für ihre Zeit optimale Bildung vermittelt bekommen haben, für die Kinder Dinge empfehlen, von denen sie besser wissen müßten, daß sie uns weiter in die Bildungswüste führen?

Für das Pauken! „Non scholae, sed vitae discimus.“

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

0
2

wolfsgeheul.eu vom 24.06.105

0
0

„Situs vilate in iset ab ernit!“.

Diese uralte, römische Spruchweisheit begleitet mich schon über die Jahrzehnte. Nicht, daß sie mein Lebensmotto geworden wäre, dafür ist sie eher zuwenig tiefgründig. Auch die allgemeine Bekanntheit der Bedeutung, manchmal selbst bei Menschen, die des Lateinischen nicht mächtig sind, spricht wohl dagegen. Es ist wahrscheinlich vielmehr der Schwierigkeitsgrad der Übersetzung, weil eben nicht gängige Wörter und grammatikalische Konstruktion verwandt werden, die selbst Altsprachler vor größere Probleme stellen. Eigentlich vermag nur ein Bruchteil der Befragten mit der richtigen Auflösung aufzuwarten. Hier trennt sich also die Spreu vom Weizen, hier können das Latinum sich beweisen und der Könner glänzen. Obendrein ist es eine Art Charaktertest. Ist jemand Sportler genug, um selbst nach größter Anstrengung sein Scheitern souverän einzugestehen? Hat der Proband genügend Humor, um nach der überraschenden Enthüllung herzlich über die Sentenz und sich selbst zu lachen? Ich habe schon ernste, sehr kundige Menschen beim Nußknacken fast verzweifelt und nach Bekanntgabe der korrekten Interpretation regelrecht verärgert, beleidigt gar gesehen. Andere wiederum schütten sich geradezu aus vor Lachen und geloben sportlich herausgefordert, den hinterhältigen Aufgabensteller bei nächster Gelegenheit zurückzunecken. Ein intelligentes, espritvolles Wechselspiel des Schabernacks kann hierdurch in Gang gesetzt werden, welches auf hohem Niveau die Gespräche und das Leben  durch Humor bereichert. Auch offenbart sich der Kultur- und Bildungsunterschied zwischen Ost und West, weil der überwiegende Teil der in der DDR Sozialisierten – Hauptausnahme bilden die Ärzte und natürlich die Theologen – direkt zu Anfang die Segel streichen muß, da Latein gar nicht gelernt worden ist, was sich im übrigen auch an dem mageren und/oder oft falschen Gebrauch von Fremdwörtern zeigt, wobei das nicht vollkommen dieses Defizit erklärt, weil auch im Westteil Deutschlands die wenigsten zusätzlich Griechisch in der Schule hatten und trotzdem auch die Wörter dieses Ursprunges häufig und zumeist korrekt gebrauchen. Letztlich deckt das Übersetzungsrätsel auch ansonsten vorhandene elementare Differenzen zwischen den Landsmannschaften in der Fähigkeit zum Finden der richtigen Lösung auf. Das hängt aber zugestandenermaßen damit zusammen, daß der lateinische Sinnspruch zusätzlich Besonderheiten des umbrischen Dialektes, der witzigerweise und von Sprachforschern bis heute nicht erklärbar Parallelen zur rheinischen Mundart aufweist, beinhaltet, so daß – was natürlich etwas ungerecht ist – der Rheinländer, der obendrein zumeist die Kunst des sich selbst auf den Arm Nehmens beherrscht, bei der Aufgabe gleich doppelt eindeutige Vorteile besitzt.

Genug der Worte, viel Spaß beim Übersetzen!

Und für die Ungeduldigen – die anderen mögen bitte zunächst nicht weiterlesen – folgt hier eine Verständnishilfe, die hoffentlich die Augen zu öffnen vermag:

„Sit us vi latein iset aber nit!“.

Nichts für ungut!

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

0
0