wolfsgeheul.eu vom 22.01.2016

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Warum benutzen Menschen Parfüm? Für die meisten Frauen und Männer stellt sich nach meinem Eindruck diese Frage überhaupt nicht. Sie tun es einfach, weil es offenbar dazuzugehören scheint, weil es die anderen auch tun. Aber warum mag die Mehrheit eigentlich nicht nach sich selbst riechen?

In der Geschichte des Duftwassers spielten dessen rare und teure Ingredienzien immer die entscheidende Rolle, weshalb anfänglich die Herstellung und der Gebrauch sich nur in den oberen Zirkeln des Klerus und der weltlichen Machthaber abspielte. Sie konnten es sich leisten und fanden über die Nutzung als edles Räucherwerk dazu, duftende Salben und Essenzen auch am Körper anzuwenden. Über die Jahrhunderte blieb es bei dieser Exklusivität, das Volk stank und seine Führer rochen. Und außerdem galt die Beweihräucherung auch bei den Großkopferten lange vornehmlich der Bekämpfung von Eigengestank, der mangelnder Hygiene geschuldet war, eine Tatsache, die sich als Vorurteil gegenüber Franzosen bis heute hält. Noch vor gar nicht so langer Zeit gab es aber für die einfache Bevölkerung außer Maiglöckchenduft und Kölnisch Wasser nicht viel anderes. Wenn man überhaupt duftete, dann in etwa gleich. Diese reine Geldbarriere scheint inzwischen vollständig gefallen zu sein. War es früher Ausdruck von Wohlstand, sich zu parfümieren, ist der Wohlgeruch jetzt endgültig sozialisiert. Jede – pardon – Sau kann sich teures Parfüm leisten oder meint, es sich leisten zu müssen. Angesichts des heutigen Hygienestandards in der westlichen Welt verwundert das, denn eigentlich muß keiner mehr unangenehme Körpergerüche entwickeln, kann er doch so oft er will duschen und baden. Zusätzlich erleben wir zu allem Überfluß eine Kakophonie der Düfte. Nahezu alles duftet heute, die Waschmittel, die überflüssigen Weichspüler, die Körperpflegemittel, ja selbst die Tempotücher und das Toilettenpapier, alle haben einen eigenen, häufig nicht sehr edlen, dafür aber umso penetranteren Geruch. Damit sind die meisten Menschen gar nicht mehr in der Lage, der jeweiligen individuellen, naturgegebenen Eigennote eine einzige edle fremde hinzuzufügen. Stattdessen packen sie auf einen bereits bestehenden dissonanten Duftakkord nur noch eine zusätzliche Note obendrauf und erzeugen einen lauten, ohrenbetäubenden Cluster für die Nase. Olfaktorischer Terror! Menschen verborgen hinter einer Wand, der Firewall bei Computern vergleichbar, von Düften! Duftgestank ersetzt den Eigengeruch! Würden Tiere ihre empfindlichen Nasen gegenseitig derart verwirren, geriete ihr soziales Gefüge mit Sicherheit in Gefahr, sie könnten sich gegenseitig gar nicht mehr erkennen. Und warum soll das beim Menschen anders sein!?

Deshalb plädiere ich, der ich – die Einstiegsdroge bei Männern ist das Rasierwasser – diesen Parfümblödsinn zugegebenermaßen natürlich auch in der überwiegenden Zeit meines Lebens mitgemacht habe, für einen kollektiven Selbstversuch. Lassen wir doch einmal die zusätzlichen Nasengeschmacksverstärker – bei unserer Nahrung wollen wir doch auch wieder zum eigentlichen Geschmack der Produkte vordringen und kämpfen richtigerweise zumindest gegen egalisierende künstliche Würzmaßnahmen – weg. Trauen wir uns, nur sauber zu sein und ansonsten nach uns selbst zu riechen. Vielleicht steckt viel mehr hinter dieser eventuell sogar etwas einfältig klingen mögenden Idee. Was wäre zum Beispiel, wenn wir so unser Gegenüber wieder viel besser und authentischer wahrnähmen, seinem Wesen, seinem Kern wieder näherkämen. Hat unsere soziale Kälte, unsere zunehmende Unfähigkeit, direkt miteinander zu kommunizieren und uns vorallem zu verstehen, vielleicht auch mit dem undefinierbaren Geruchswirrwarr zu tun, der alles umgibt und uns nicht mehr richtig zusammenkommen läßt? Blühen die Partnersuchportale im Internet auch deshalb, weil sich eine wahre Erkenntnis über den anderen nicht mehr sinnlich, sondern, wenn überhaupt, nur noch über das Wort gewinnen läßt, weil das animalisch-olfaktorische Selbst bis zur Unkenntlichkeit zugekleistert ist, so daß über die Nase der persönliche Fingerabdruck nicht mehr wahrnehmbar ist? Wir wissen also wahrscheinlich gar nicht mehr genau, ob wir einander gut oder nicht riechen können. Die Wissenschaft sagt wohl, daß keine noch so große Duftwolke unseren Sensus für den eigentlichen Geruch des Anderen letztlich von seinem Funktionieren abhalten kann. Trotzdem wird immer eine Irritation und Verzögerung der Wahrnehmung die Folge sein, und selbst wenn das tatsächlich nicht so sein sollte, dann machte das Einsprühen mit duftenden Wässerchen noch weniger Sinn, weil es unser eigenes Odeur nicht an seiner Wirkung hindern kann, wir also bleiben, wer wir sind. Nach meiner Erinnerung hat Otto Waalkes in irgendeinem Zusammenhange sinngemäß den Blödel-Spruch kreiert: „Und da saß ich wieder ganz alleine im Bus, weil ich Paral genommen hatte.“.

Da hat der Komiker möglicherweise ein großes Wort gelassen ausgesprochen. Seit einiger Zeit bin ich übrigens bei dem von mir vorgeschlagenen Experiment selbst dabei, und bisher hatte ich zumindest nicht den Eindruck, deshalb gemieden zu werden oder meine Umwelt zu belästigen. Aber eine einseitige Demaskierung hilft nur den anderen. Haben wir also den Mut, zu uns zu stehen, vielleicht wissen wir dann wieder besser voneinander, wo und wie wir uns befinden.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

P. S.: Was nimmt die AfD eigentlich für ein Parfüm, daß mit ihr selbst im Wahlkampf kaum einer etwas zu tun haben will? „œuf isolé“ by „Adolphe“?

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