wolfsgeheul.eu vom 08.07.2016

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Deutschland begeistert sein Volk nicht, und mit den Deutschen ist kein Staat zu machen.

Der Fußball bringt es an den Tag, denn er verhält sich als Teil dieses Landes nicht anders. Es fehlen Identifikation, Stolz und Enthusiasmus. Wer zum Beispiel die Isländer beim Absingen der Hymne beobachtet hat, konnte sofort den Unterschied sehen. Das war keine Plichtveranstaltung, sondern verleiht unverkennbar der tief empfundenen Ehre und Leidenschaft Ausdruck, für das eigene Land antreten und kämpfen zu dürfen. Kein Vergleich zu unserem eher gedungenen und verkniffenen erscheinenden Auftreten. Und das deutsche Publikum verhält sich ähnlich. Zwar ist man massenweise präsent – die Fernsehübertragungen verzeichnen Rekordquoten – aber aus dreimaligem Rudelgucken habe ich eher den Eindruck einer relativen Leblosigkeit und fast mechanischen Ableistung von Stimmung gewonnen. Es beginnt bei der Nationalhymne. Als es bei mir gestern zuckte, aufzustehen und mitzusingen, machte keiner der Menschen allen Alters in meiner Umgebung auch nur ein wahrnehmbares Schrittchen, gleiches tun zu wollen. Da lohnt es dann nicht, den Eisbrecher zu geben, weil man nicht erwarten kann, daß, sollten sich andere überhaupt animieren lassen, das damit quasi erzwungene Mittun einer Überzeugung und dem Herzen entspränge.

Deutschland hat tatsächlich ein Identitätsproblem. Unschöner Nationalismus aus tiefdunkler Vergangenheit ist einer überwiegenden Gleichgültigkeit gewichen. Manchmal hat es aber auch den Anschein einer intellektuellen Hemmung, nämlich bei denen, die mutmaßlich gerne zeigten, was ihnen das Vaterland bedeutet, aber es nicht zu offenbaren wagen, weil sie befürchten, es könnte erneut ins Verderben führen, was es jedoch keinesfalls muß. Hier braucht es stattdessen bewußten Bekennermut. Die aktuelle Apathie jedenfalls führt ins Einerlei, und das ist weder normal noch gesund.

Ein Ansichtenwandel scheint mir also dringend vonnöten, wünschen wir mit Völkern, die, wenn es darauf ankommt, zusammenstehen wie ein Mann, auch zukünftig erfolgreich zu konkurrieren. Die aktuelle Situation stellt, ob man es glauben will oder nicht, zunehmend einen deutlichen Wettbewerbsnachteil dar.

Vielleicht sollte man einmal darüber nachdenken, die deutsche Nationalhymne durch eine neue zu ersetzen, die auch ins Herz vordringt und nicht nur in den Kopf der Bevölkerung zu erreichen versucht. Die meisten dürften beispielsweise mit dem Wort „Unterpfand“ nichts anzufangen wissen, und der gesamte Osten summt ohnehin noch die Becher-Hymne, die allerdings interessanterweise mit reichlicher Verspätung hinsichtlich des Auferstehens aus Ruinen nach 1989 – was viele Ostdeutsche aber traurigerweise nicht zugeben wollen – tatsächlich wahr geworden ist.

Das kann aber nur eine Idee unter vielen sein!

Denn bei einem bin ich mir auf jeden Fall sicher. Wir müssen Umfangreiches unternehmen und – welch‘ furchtbares, exkommunistisches Nachwendewort, daß schon im Land seiner Herkunft, der DDR, einzig zu Stillstand und sogar Rückschritt geführt hat – nicht immer nur alles andenken, wollen wir zusätzlich den unseligen extremistischen Tendenzen im Lande Einhalt gebieten. Hier gilt wohl leider der rheinische Grundsatz „Et hät noch immer jot jejange!“ nicht mehr, denn die Brüche sind bereits zu tief. Wer „Einigkeit und Recht und Freiheit“ sichern will, muß ungewöhliche Wege gehen. Deutschland steht zum wiederholten Male vor der Aufgabe, sich neu zu erfinden.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

P. S.: Und, liebe Franzosen, (s. gestrige Kolumne) nichts für ungut! Glückwunsch! Der Bremer würde sagen, ihr wart besser aber nicht besser. Uns wird es eine Lehre sein. Wir essen beim nächsten Spiel vorweg hoffentlich ebenso Froschschenkel. Bratwürste sind halt doch zu fett und verursachen letztlich schwere Beine. Gourmetmenü gegen Hausmannskost: 1 : 0! Und übrigens: Marseillaise vs. Deutschlandhymne: dito!

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wolfsgeheul.eu vom 28.06.2016

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Letzten Montag hätte „ich mir vor“ Freude und Ergriffenheit „beinahe in die Hose gepinkelt“ – so möchte ich die von der gerade erlebten Oper hingerissene Vivian aus Pretty Woman bei ihrem La traviata-Besuch in der Met sinngemäß zitieren -, als ich das Spiel England gegen Island von Beginn an, also inklusive der Hymnen verfolgt habe.

Der Glaube versetzt Berge, sagt man!

„Oh, Gott unseres Landes! Oh, unseres Landes Gott!

Wir verehren deinen heiligen, heiligen Namen!

Aus den Sonnensystemen der Himmel weben deine Krone

deine Legionen, der Zeiten Versammlung.

Für dich ist ein Tag wie tausend Jahre

und tausend Jahre ein Tag, nicht mehr,

ein Blümchen der Ewigkeit mit zitternden Tränen,

das zu seinem Gott betet und stirbt.

Islands tausend Jahre,

Islands tausend Jahre,

ein Blümchen der Ewigkeit mit zitternden Tränen,

das zu seinem Gott betet und stirbt.“

Im gestrigen Fall versetzte er Inseln und katapultierte England zum zweiten Male innerhalb zweier Tage ins Nichts. Ein Brexit der anderen Art!

Obiger Text stellt laut Wikipedia die deutsche Übersetzung der ersten Strophe der mir neuen und mich ausnehmend bereichernden isländischen Nationalhymne „Lofsöngur“ dar. Im Grobvergleich zur Originalversion erscheint sie stimmiger und besser als andere im Netz verfügbare Versionen, wobei allerdings zum Beispiel „Heerscharen“ treffender als „Legionen“ sein dürfte. Wer übrigens durch die Begrifflichkeit „tausend Jahr“ ins Stolpern geraten sollte, dem sei gesagt, daß die Uraufführung des Stückes – da war es noch nicht Hymne – im Jahre 1874 den Festgottesdienst zur tausendjährigen Besiedlung Islands musikalisch krönte. Das erklärt auch die gänsehautverursachende Erhabenheit der Musik(Link: “ www.youtube.com/watch?v=K-owXWv75Yk „). Welch eine Ausnahmeerscheinung unter den bisher vornehmlich zu hörenden Hymnen! Himmelschöre besingen wunderbar melodisch und durchaus dramatisch aber lebensbejahend, weil liebevoll die Hilflosigkeit des kleinen Menschen in der großen Welt. Wer auf einer meerumtosten Vulkaninsel lebt, weiß eben noch um seinen tatsächlichen Status auf diesem Planeten. Er ist wahrscheinlich automatisch gottesfürchtig, weil ihm seine Unterlegenheit gegenüber den Naturgewalten allgegenwärtig ist.

Es gibt also drei sehr gute Gründe, den Isländern zu wünschen, daß sie es bis ins Finale der Europameisterschaft schaffen, wenngleich ich zugeben möchte, daß es gleichzeitig schmerzlich wäre, weil dann bereits im Viertelfinale der Gastgeber weichen müßte, dem nach den schweren Zeiten durchaus auch ein Sieg zu gönnen wäre. Zuerst sind da die wunderbaren, friedlichen Fans zu nennen. Sodann wünscht man dem sympathischen Land sicherlich auch deshalb alles erdenklich Gute, weil es eine krasse Außenseiterposition so eindrucksvoll bekleidet. Und letztlich hoffe ich sehnlichst darauf, diese wunderbare Nationalhymne und ihre ehrfürchtige, demütige und wohltuenderweise einmal nicht überhebliche oder gar kriegerische (Gottes-)Botschaft noch dreimal hören zu dürfen. Wenn Deutschland allerdings das Finale erreichen sollte, wäre es mein innigster Wunsch, Zeuge zu werden, wie fair und phantastisch sich die gläubigen Vertreter der Insel in der Niederlage verhalten können.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

P. S.: Kotzen könnte ich! Liebe meine Kolumne lesende Unternehmer, ergetzt Euch am Fußball oder besseren Wetter und vermeidet das Verfolgen der Nachrichten! Heute hat die sogenannte Mindestlohnkommission der Großen Koalition das nächste vorelektive Wahlgeschenk gemacht und die Erhöhung des Mindestlohns für 2017 von 8,50 Euro auf 8,84 Euro beschlossen, was einer Steigerung von 4 Prozent entspricht. Aber, keine Sorge: Das holt die Wirtschaft doch locker über Gewinne und/oder Dividendenrenditen wieder rein und es entspricht ja im übrigen auch lediglich dem aktuellen Zinssatz auf Sparguthaben, oder!?

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