wolfsgeheul.eu vom 04.11.2015

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Fünf Jahre war ich in Bayern, genau in München, tätig und habe mich da sehr wohl gefühlt, auch wenn die Uhren dort in vielerlei Hinsicht – im Positiven wie im Negativen – anders ticken. Eines habe ich dabei jedenfalls gelernt. Die Bayern sind eine ruppige, klare und direkte Landsmannschaft, die kein Blatt vor den Mund nimmt, etwas das sich auch und gerade im Dialekt widerspiegelt.

Laut „Spiegel“ haben zwei Kommunalpolitiker der CSU auf Druck von oben ihren Rücktritt eingereicht. Die eine, Parteivorsitzende des Ortes Zorneding mit weniger als 10.000 Einwohnern, der andere ihr Stellvertreter! Im Zusammenhang mit der Einwanderungskrise hat sie von „Invasion“ gesprochen und sich gegen die gaucksche Gleichsetzung von Heimatvertriebenen nach dem letzten Weltkrieg und den jetzt Ankommenden gewandt. Er hat – der genaue Zusammenhang läßt sich zur Zeit nicht recherchieren – zu dem aus dem Kongo stammenden Dorfpfarrer gesagt, er müsse „aufpassen, dass ihm“ sein alterVorgänger in der Gemeinde „nicht mit dem nackerten Arsch ins Gesicht“ springe, „,unserem Neger.“.

Mir liegt es fern, diese beiden Provinzpolitiker pauschal freizusprechen. Aber ist das Wort „Invasion“ denn wirklich so falsch? „invadere“ bedeutet nicht nur „angreifen“ und „überfallen“, sondern auch „einbrechen“, „eindringen“ und „einfallen“. Letzteres genau tuen die Menschen, die zur Zeit bei uns ankommen. Der „Wahrig“ beschreibt den Vorgang nicht nur als „widerrechtl. Einbruch in fremdes Staatsgebiet“, sondern auch als „(feindl.) Einfall“, also „feindlich“ ausdrücklich in Klammern, was sicherlich auch der Invasion der Allierten geschuldet ist, die deshalb nicht als feindlich gewertet werden kann, weil sie als Motiv die Befreiung vom Feind für sich hatte. Damit muß „Invasion“ nicht zwingend negativ behaftet sein. Und damit trägt der massenhafte Grenzübertritt jedenfalls invasive Züge. Auch kann man sicherlich trefflich darüber diskutieren, ob der Vergleich des Bundespräsidenten korrekt und haltbar ist, oder ob es nicht durchaus Unterschiede gibt.

Und der „Neger“? Was wäre geschehen, hätte es sich um einen weißen Münsteraner gehandelt, den man als „Preiß“ oder gar als „Saupreiß“ bezeichnet hätte? Ein Rücktritt wäre niemals die Folge gewesen. Und selbst „Saupreiß“ kann wie im Rheinland „Arschloch“ in bayerischen Gefilden durchaus auch liebevoll gemeint sein. Die genaue Titulierung als „unser Neger“ deutet sogar darauf hin, daß hier von einem grundsätzlich durchaus anerkannten Mitglied des Örtchens gesprochen wird. Und was kann der sprechende Mensch dafür, daß wir uns in der heutigen Zeit so schwer tun, zum Beispiel schwarzhäutige Menschen deskriptiv zu bezeichnen? Ich kann bis heute nicht einsehen, daß der Begriff „Neger“ pauschal verfehmt wird. Je nach Kontext, in dem er gebraucht wird, halte ich ihn weiterhin nicht a priori für diskriminierend.

Was passiert also bei uns? Wir verlieren unsere Sprache, weil man uns Teile davon zu gebrauchen quasi verbietet. Ein Volk aber, das nicht sprechen darf, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, denkt auch nicht frei, kann sich nicht offen austauschen. Wenn man aber seine eigenen Sorgen und Nöte nicht mehr spontan in Worte fassen darf, ohne Gefahr zu laufen, von der Gesellschaft verstoßen und um Amt und Würde gebracht zu werden, dann endet der gesellschaftliche Diskurs, der so wichtig ist, um unsere nominell immer noch freie Demokratie auf Kurs zu halten und voranzubringen. Dieser Weg führt in die Sprachlosigkeit, und Sprachlosigkeit führt zu Ersatzhandlungen als Ventilfunktion, um den Gedankenstau zu lösen.

Und wer realisiert eigentlich noch, daß das gemeine Volk einfach denkt und auch einfach angesprochen werden muß? Genau das hat in Bayern durch die letzte wirkliche Volkspartei, die CSU, in der Vergangenheit immer hervorragend funktioniert, weil sie die Mehrheit des Volkes uniert, damit auch kalmiert und vor allem verhindert hat, daß sich Menschen ausgegrenzt fühlen (müssen) und in Reaktion darauf sich extremistischem Gedankengut und radikalen Parteien zuzuwenden.

Wann durchbrechen wir endlich diesen Teufelskreis und reden wieder klar und offen miteinander. Das Ergebnis zählt, und das gesprochene Wort ist flüchtig. Keiner ist also gehindert, und alle sind, soweit sie es vermögen, auch weiterhin gehalten, schriftlich die Worte etwas besser zu wägen. Wenn aber ein freies Land aufhört, jedem das freie Wort zu gestatten, dann ist es kein freies Land mehr. Vielmehr herrscht dann eine Diktatur der erlaubten Einheitssprache, die die Gedanken konditioniert und eingrenzt. Und das im Land der Philosophen! Kommen wir wieder zurück zum einzig wahren Grundsatz, der je nach Formulierung Voltaire, Hall und ich meine auch Max Ernst zugeschrieben wird, und den ich immer wie folgt verwende: „Ich finde deine Meinung zum Kotzen, aber ich werde dafür kämpfen, daß du sie äußern darfst!“:

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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wolfsgeheul.eu vom 24.08.2015

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Deutschland kommt mit seinen Flüchtlingen und dem braunen Mob nicht zur Ruhe. Auch wenn in Baden-Würtemberg wieder ein Asylbewerberheim gebrannt hat – Brandstiftung nicht ausgeschlossen – und – Gipfel des Hasses und Ausdruck eines Totalverlustes an Grundeigenschaften eines zivilisierten Menschen und einer Verrohung, die nicht einmal im Tierreich eine Entsprechung fände, also nur unmenschlich ist – zwei polizeibekannte, besoffene Rechtsradikale in Berlin auf die Kinder einer Migrantin uriniert haben, kommt der Freistaat Sachsen nicht nur nicht aus den Schlagzeilen, sondern macht weiter in extrem unrühmlicher Weise mit den Vorfällen in Heidenau auf sich aufmerksam. Was auch immer die Politik jetzt anfallartig tut, sie hat viel zu lange geschwiegen und wenig bis nichts dagegen unternommen und hinkt somit meilenweit hinterher. So hat gerade der in den Ruhestand gegangene, seit der Wende amtiert habende Oberbürgermeister – ein Lionsfreund von mir, dem ich unterstellen kann, diesbezüglich immer das Beste gewollt zu haben – der Großen Kreisstadt Limbach-Oberfrohna, wo ich fünfzehn Jahre lang gelebt und gearbeitet habe, zugegeben, daß er es im nachhinein als Fehler ansieht, gegen den Rechtsradikalismus nicht früher härter vorgegangen zu sein. Ein Eingeständnis, das zwar eine verpaßte Chance bedeutet, mir aber gleichwohl Respekt abringt und ein richtiges Signal setzt! Die mit Heidenau vergleichbaren Vorfälle in Rostock-Lichtenhagen jähren sich nämlich gerade zum dreiundzwanzigsten Male. Und was wurde seither getan?

Wegen der auffälligen sächsischen Häufung findet man immer mehr Artikel, die sich an der Antwort auf die Frage „Warum gerade Sachsen?“ versuchen. Bei allem, was ich diesbezüglich bisher gelesen habe, kann ich mich des Eindruckes – genauer habe ich bis jetzt nicht eruiert – nicht erwehren, daß der jeweilige Autor zwar zum Teil gute Beobachtungen wiedergibt und richtige Schlüsse daraus zieht, es aber an einer fundierten Insider-Kenntnis  des Landes und seiner Bürger fehlt, so daß sie entweder zu kurz springen oder sogar am Thema vorbeigehen. Schon vielfach(s. Kolumnen v. 07.04., 13.04., 08.07., 12.08. 2015) habe ich diesbezüglich meine Analysen und Ansichten geäußert.

Jetzt bekomme ich mit, daß am Gymnasium obig benannter Stadt, für die Lehrerschaft zu Schulbeginn erstmalig ein Projekttag zum Thema „Rechtsextremistische Erscheinungen im Schulalltag“ abgehalten wurde. Recht so! In der Schule liegt der Schlüssel. Gegen rechtsradikale bzw. linke oder rechte nationalkonservative Haltungen im Elternhaus kann der Staat wenig bis gar nichts unternehmen. Aber an den Schulen kann und muß den Kindern das Rüstzeug vermittelt werden, daß Immunität gegen Hass und Extremismus verschafft. Natürlich gilt das gleichermaßen für alle anderen Institutionen, die mit Kindern umgehen.

Meine 22-jährige Tochter, die selbst Grundschullehramt studiert, habe ich gefragt, was sie diesbezüglich lernt und an was sie sich im Vergleich dazu diesen Themenbereich betreffend aus ihrer eigenen sächsischen Schulzeit – auf das sächsische Schulsystem lasse ich ansonsten nichts kommen – erinnern kann. Da klaffen nahezu Welten! An den Universitäten in Bayern – nur da habe ich Einblick – lernen zukünftige Lehrer für Sachkunde, wie sie ab der ersten Klasse zu Werten und Demokratie erziehen und den Komplex „Die Welt bei uns und wir in der Welt“  und Europa vermitteln. Am Gymnasium wird das Themenfeld dann in Gemeinschaftskunde vertieft. Bei meiner Tochter wurde hier und da auch darüber gesprochen, selbst aber im Gymnasium sind ihr dazu keine ganzen Stunden erinnerlich. Da liegt der Hase im Pfeffer. Als meine Tochter eingeschult wurde, lag Rostock schon sieben Jahre zurück. Solange darf es nicht dauern, bis die Kultusminister und die Schulen reagieren. Die Kinder brauchen das entsprechende Wissen als Verteidigungswaffen gegen die Anfeindungen und Verlockungen aus der Gesellschaft.  Ansonsten läuft man Gefahr, die Labilen und Gefährdeten einer Generation ungeschützt an die Radikalen zu  verlieren. Nun kann ich nicht beurteilen, ob  in Bezug auf diesen Bereich gravierende Unterschiede in den Ausbildungen der einzelnen Bundesländer bestanden. Faktum ist aber, daß kein Bundesland existiert, das mit diesem Problem bei jungen Menschen nicht zu kämpfen hat, so daß der Schluß erlaubt sein dürfte, daß es überall Versäumnisse gab.

Nun hilft es nicht, die Vergangenheit zu beklagen, aber lernen sollte man aus ihr. Wer jetzt nichts ändert und – schlimmer noch – an der Bildung spart oder sogar kürzt, versündigt sich nicht nur an den Kindern, sondern gefährdet massiv den positiven Grundkonsens in unserer Gesellschaft. Spätestens nach Heidenau heißt es also, sofort zu reagieren. Glück auf!

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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