Das, was ich täglich zur sogenannten Flüchtlingskrise – für Menschen, die tatsächlich einer lebensbedrohenden Krise entkommen sind, ist die Bezeichnung ein Hohn – an echten Informationen – der Rest ist Emotion – erhalte, hinterläßt mich zunehmend ratloser. Es ist schwer, sich ein nüchternes Bild zu machen.
Das Recht auf Asyl für Flüchtlinge steht für mich außer Frage. Die Definition, wer als Flüchtling gilt, ist sehr klar. Diesen Status genießt nach Art. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention nur eine Person, die wegen ihrer „Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt oder besitzen würde, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will“. Vom Begriff nicht umfaßt sind Wirtschafts-, Umwelt- und Kriegsflüchtlinge.
Nach dieser Abgrenzung gelten mit großer Sicherheit die wenigsten der Menschen, die bisher ein europäisches Land erreicht haben, tatsächlich als Flüchtlinge.
Dabei kann ich die jeweiligen Motive für die Flucht mutmaßlich grundsätzlich verstehen, die Zusammensetzung der Ankömmlinge aber bringt mich ins Nachdenken. Es handelt sich überwiegend um Männer, die unter dreißig Jahre alt sind.
Bei solchen, die keine eigene Familie haben, braucht es keine weitere Überlegung. Das sind junge Leute, die bereit sind, ihr Leben zu riskieren, um in einen sichereren und besseren Teil der Welt zu gelangen, in der Hoffnung, dort dauerhaft eine Bleibe und ihr Auskommen zu finden.
Bei denen aber, die Frau und Kinder zurücklassen, beginnt mein Verständnis zu schwinden. Gerade wenn die Bedingen vor Ort kritisch oder gar lebensbedrohlich sind, gehört der Mann doch zu seiner Frau und der Vater zu den Kindern, um sie zu schützen und ihnen beizustehen. Das sollte eigentlich ausnahmslos gelten, auch für den Fall, daß dem Mann droht, für seine Heimat zum Zwecke der Landesverteigung in den Krieg ziehen zu müssen. Einen schwer zu entscheidenden Grenzfall könnte allenfalls die drohende Zwangsrekrutierung durch den IS darstellen.
Wenn also eine ganze Familie flieht und dabei jegliche Gefahr in Kauf nimmt, bietet sich prima vista ein stimmigeres Bild, nicht nur weil es das Verantwortungsbewußtsein des Familienoberhauptes zeigt, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit – ansonsten es purer Leichtsinn wäre – eine Abwägung offenbart, bei der die Risiken des Bleibens höher als die der Flucht eingeschätzt wurden. Gleiches gilt erst recht für alleinerziehende Mütter, die den Weg gehen.
Ein weiterer Aspekt erscheint mir bedenkenswert. Die Flucht kostet für alle sehr viel Geld, Geld, das nur die haben können, denen es trotz der schwierigen Zu- und Umstände im Heimatland überdurchschnittlich gut und damit damit weit besser geht, als mutmaßlich dem Gros der Landsleute, für die, wie für alle Armen der Welt, gilt, daß den letzten die Hunde beißen. Wer aber ein überproportionales Einkommen bzw. Vermögen generieren kann, der hat doch mit ziemlicher Sicherheit einen zumindest halbwegs anerkannten Stand in der dortigen Gesellschaft, muß sich also wahrscheinlich weit weniger vor Unbilden fürchten, als ein Mittelloser.
Wenn wir es aber bei den meisten nicht mit Flüchtlingen per definitionem zu tun haben, stellt sich – und nur das scheint das Kalkül der überwiegenden Zahl der Ankömmlinge – die Frage nach einem dauerhaften Bleiberecht, weil auch nur das den Familiennachzug eröffnet.
Und hier kommt die Liste der als sicher deklarierten Herkunftsländer ins Spiel. Das für die Nichtaufnahme von Syrien unter diese Definition vieles sprechen mag, will ich nicht in Abrede stellen. Wie ist es aber zu beurteilen, daß der geflohene syrische Familienvater sein Land immerhin für so sicher hielt, daß er verantwortete, die Seinen dort zurückzulassen? Denn klar mußte ihm auch sein, daß der Nachzug nicht von heute auf morgen ins Werk setzbar sein wird und schlimmstenfalls Jahre dauern kann. Das verstörende Zwischenfazit bleibt, daß ein Syrer unabhängig von seinem Anerkennungstatus wohl nicht in sein Land zurückgeschickt werden kann, das Land, das er bei seiner Flucht für sicherer für seine Familie hielt als die Flucht selbst.
Ungereimheiten, wohin man schaut!
Daß alle zu den friedvollen Futtertrögen streben, ist mehr als verständlich, Daß das auch die – wahrscheinlich sogar im Sinne einer gerechten Strafe – Quittung der westlichen Industrienationen dafür darstellt, daß man jahrzehntelang sein Wachstum und seinen Wohlstand nicht unwesentlich auf dem Rücken der Armen der Welt angehäuft hat, liegt ebenso auf der Hand.
Aber deshalb die Augen vor den Realitäten zu verschließen, beim Begriff „Flüchtling“ nicht zu differenzieren und unser grundsätzlich verankertes Asylrecht auszuweiten und auszuhöhlen, ist weder gerecht noch notwendig. Vielmehr müssen wir endlich ein geordnetes Einwanderungsprozedere reglementieren, damit wir noch Platz für die wirklichen Flüchtlinge behalten und ihnen das berechtigte Asyl gewähren können. Ohne eine solche Gesetzesgrundlage verbietet sich jetzt auch ein Rosinenpicken, weil es ungerecht wäre. Da rächt sich für alle die jahrzehntelange Untätigkeit in Richtung einer geordneten Einwanderungspolitik.
Die aktuelle Situation müssen wir aber gleichwohl ordentlich und großzügig meistern. Das gebieten Humanität und Gastfreundschaft, auch wenn die Gäste, die nicht zu beneiden sind, mit denen keiner tauschen möchte und denen man nicht im Entferntesten unterstellen kann und will, sie hätten die leidvolle Reise zum Spaß angetreten, ungebeten sind und in sehr großer Zahl, wenn es nach der geltenden Rechtlage läuft, wieder die Heimreise werden antreten müssen. Viele werden dann vielleicht als Einwanderer wiederkehren und herzlich willkommen sein.
Ein schwieriges Feld, auf dem Meinungen und Ansichten nicht in Stein gemeißelt sein können, da sich die Nachrichtenlage täglich verändert und verfeinert. Für den Moment aber sehe ich die Dinge so.
Gute Nacht!
Ihr/Euer Wolf