Zum Teil verstehe ich die Welt nicht mehr. Der FAZ lag letzte Woche ein großes, buntes Magazin bei, welches sich ausschließlich der Armbanduhr widmete. Grundsätzlich ein dankenswertes Unterfangen, herrschen doch noch an viel zu vielen Handgelenken alles andere als edle, feinmechanische Zeitmesser vor; stattdessen ticken dort billige Quarzwerke in primitiven Gehäusen, zunehmend allerdings protzig und Edelmetall oder sogar Brillianten lediglich vortäuschend. So weit, so schade und unästhetisch! Der Zeit und ihrer Messung wird nicht genügend Achtung entgegengebracht. Eine Allegorie auf unsere in Saus und Braus lebende Schein-Welt!
Was aber die großformatige Uhrenbeilage darstellte, ist auf andere Weise nicht nachvollziehbar. Grob geschätzt achtzig Prozent der dort abgebildeten Edelwecker liegen nach meinem Dafürhalten – Preisangaben werden dezent, besser sollte man „arrogant“ sagen, vernachlässigt – in einem Bereich über zwanzigtausend Euro; vollgestopft mit teuren Komplikationen, Edelmetall nahezu selbstverständlich und wenn sonst nichts geht, über und über mit Diamanten besetzt. Vornehme Zurückhaltung sieht anders aus, und nicht alles was machbar ist, ist auch sinngebend – man denke nur an das in einer Armbanduhr unsinnige Tourbillon – und schön. Außerdem schießen neue Marken, vorwiegend aus dem Mode- und Accessoirebereich wie Pilze aus dem Boden, zugegeben zum Teil sogar stilvoll, aber ohne jedwede Tradition im Uhrenbau. Kaum einer würde ein Auto von Dior oder Hermès zum Kaufe erwägen, fehlte dort doch zurecht der Stallgeruch und die Erfahrung eines Tradiotionsunternehmens. Warum nur ist das bei Uhren anders? Und wer soll diese Pretiosen im Werte eines Kleinwagens bis Eigenheimes eigentlich erwerben?
Nun wissen wir, daß wir im Zeitalter der Erben leben. Geschenktes Geld ohne eigenes Dazutun sitzt möglicherweise lockerer. Auch verfügen wir über eine, wenn auch kleine Schicht mit überproportional hohem Einkommen. Wenn diese Klientel aber tätsächlich munter solche Uhren sich zulegen würde, müßte man sie häufiger an deren Handgelenken erblicken. Getreu dem Wehrhahnschen Grundsatz „Isch han et nit vom usjeve, sondern vom beholen!“ gibt es glücklicherweise doch offenbar noch genügend Menschen, denen Prahlen fern liegt und die ihre Kröten zusammenzuhalten wissen.
Also müssen es – auch das wissen wir -die Neureichen aus den Boomländern Rußland, China, Indien etc. richten, die einen hohen Nachholbedarf genauso haben, wie einen gesteigerten Drang, ihre Potenz zu zeigen, und deren Existenz den Hauptgrund für die in meinen Augen im übrigen nicht mehr zu rechtfertigende exponentielle Preisentwicklung der letzten zwei Jahrzehnte im Luxussegment darstellt. Nur was soll dann ein Magazin mit deutschem Text!? Wahrscheinlich will man den Nachzüglern nur suggerieren, bei uns gäbe es dafür ebenfalls einen Markt, den es nachzuahmen gilt!?
Insgesamt aber ist ein solches Edelmagazin nur ein erneuter Beweis dafür, daß die Welt oberflächlicher und ignoranter wird. Wenn es dem Esel zu wohl ist, geht er eben aufs Eis!
Gute Nacht!
Ihr/Euer Wolf