wolfsgeheul.eu vom 05.09.2016

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„Wir verschieben die Grenzen des guten Geschmacks.“.

Wer wirbt denn so? Charlie Hebdo, die Satirezeitschrift „Titanic“, die Protzweckerschmiede Hublot, Jan Böhmermann, Erika Steinbach, Markus Söder oder die AfD!? Nein! Und was sollen überhaupt „die Grenzen“ sein!? Gibt es da nicht nur eine!?

Der Wunsch nach immer neuen und außergewöhnlichen Formulierungen im Vereine mit der abnehmenden Beherrschung der deutschen Sprache treiben immer unsinnigere Blüten. Das Eingangsstatement wurde abgeleitet vom Titelblatt der zweiten Ausgabe diesen Jahres der Kundenpostille „Mercedes-Benz magazin“, das dort auf ein Interview mit dem „Aromenzauberer“ Dabiz Muñoz, dem man genau diese Grenzverschiebung zuschreibt, verweist. Für die, die wie ich, in der internationalen Oberliga der Kochkunst nicht ganz sattelfest sind, sei gesagt, daß es sich bei Muñoz um einen von aktuell acht spanischen Dreisterneköchen handelt.

Na, der würde sich für diese Ankündigung aber sicherlich bedanken, wäre er des Deutschen mächtig! Die Grenze des guten Geschmack bezeichnet doch zunächst unstreitig den Übergang zum schlechten. Und auf dem Weg dahin nimmt die Geschmacksqualität permanent ab, bis sie schließlich ins Negative, nicht mehr Goutierbare kippt. Das bedeutet aber, daß der, der genau diese Grenze verschiebt, sich noch weiter ins Land des Ekels hineinbewegt und es ihm dabei – wie auch immer – lediglich gelingt, trotzdem noch nicht auf der anderen, falschen Seite zu landen. Was also bisher fast schon ungenießbar war, steigert er noch, ohne seine Kunden endgültig zu vergrätzen. Da es in der modernen Highendküche verstärkt um die Herausarbeitung und Verwendung von Aromen geht, kann es sich bei dieser artistischen Grenzzaunverschiebung eigentlich nur um einen Vorgang handeln, bei dem zum Beispiel Stinkmorcheln der Duft von Lavendel eingehaucht wird, damit sie überhaupt zum Verzehr geeignet sind.

Ist es das, was wir von einem Spitzenkoch erwarten? Natürlich nicht! Der Feinschmecker möchte doch genau auf der anderen Seite des Spektrums durch Optimierung überrascht, erfreut, bezaubert und beseelt werden! Und das scheint Herr Muñoz offensichtlich zu beherrschen, denn sonst kämen die strengen Michelin-Tester niemals auf die Idee, ihn maximal zu dekorieren.

Die Überschrift im Mercedes-Blättchen ist also entweder nur dumm oder läßt tief blicken. Lotet man etwa auch beim Daimler die Grenze des guten Geschmacks aus und treibt sie vor sich her, wenn es um Schadstoffausstöße oder das Entwickeln immer größerer, überflüssigerer und vor allem häßlicherer Autos geht!?

Wie wunderbar wäre es doch, lebten wir in einer Welt, in der es nur Virtuosen gestattet wäre, sich als Grenzgänger ihres Faches zu betätigen! So wie Dabiz Muñoz, dessen edle Speisen mir möglicherweise in diesem Leben leider nicht mehr zuteil werden.

Bon appétit und gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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