wolfsgeheul.eu vom 06.03.2015

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Heute stehe ich unter dem Eindruck des Besuches eines Fußballspieles. In einer Vierergruppe standen wir auf dem,  das Publikum betreffend, gemäßigten rechten Teil einer Südtribüne, die, komplett als Stehtribüne ausgelegt, insgesamt fast voll besetzt war und traditionell mittig die harten Fans beheimatet, die die Stimmung oft ganz allein unter Anleitung eines megaphonbewehrten Anheizers, man könnte auch sagen virtousen Dirigenten produzieren. An dieser Stelle will ich ausdrücklich festhalten, daß das, was ich nachfolgend thematisiere, in jedem anderen großen oder kleinen Stadion dieser Republik und weltweit sich so oder ähnlich abgespielt haben könnte, also pars pro toto steht.

Das Spiel wurde gewonnen, auch weil die Heimmannschaft sich von anfänglichen Nickligkeiten, die leider nicht rechtzeitig vom in der ersten Halbzeit schlecht agierenden Schiedsrichterteam unterbunden wurden, nicht provozieren ließ und trotz Rückstandes ihre Chancen suchte und fand. An dieser Stelle nicht kommentieren will ich, welch immens wichtige Rolle die Referees bekleiden, weil sie mit der Qualität ihrer Leistung einen maßgeblichen Einfluß auf das Verhalten der Zuschauer während des Spiels und danach haben, und welche Konsequenzen man daraus ziehen sollte.

Nicht überraschend ist aber, daß aufgrund der beschriebenen Ereignisse gerade die Hardcore-Fans, aber auch der Rest – exklusive vielleicht des überwiegenden Teiles der VIP-Gäste, für die das Spiel oft nur Beiwerk ist – ausgesprochen und zunehmend aufgebracht waren. Und jetzt beginnt die noch frisch erinnerliche Sozialstudie interessant zu werden. Als eher seltener Stadionbesucher lebe ich wohl noch in der Welt der „Schiedsrichter, Telephon!“-Rufe. Dabei weiß ich, daß das inzwischen im mindesten von „Schiri, wir wissen, wo dein Auto steht!“ abgelöst worden ist, die Androhung einer Sachbeschädigung also die einer reinen Belästigung ersetzt hat. Auch habe ich schon vor über dreißig Jahren erlebt, wie Dortmunder Fans gegen die des VFB Stuttgart „Schwabenschweine“ skandierten, was in die heutige Zeit übertragen am Beispiel von Gegner Rot-Weiss Essen aber bereits die Dimension von „Rot-Weiss Essen, ficken und vergessen!“ erreicht hat und gesteigert wird, wenn der gegnerische Torwart heute im Rücken mehrfach den vielkehligen Chor „Arschloch, Wichser Hurensohn, deine Mutter ham wir schon!“ über sich ergehen lassen mußte. Jetzt könnte man sich auf den Standpunkt stellen, daß jede Zeit ihre speziellen sprachlichen Enthemmtheiten hat, die eben – und auch das scheint in einer zunehmend verrohenden Gesellschaft nur konseqent – immer drastischer werden, aber in ihrer Funktion und ihrem Agressionsgehalt relativ gleich geblieben sind. Auch gehört es zum Fußball gefühlt schon immer dazu und wird über kurz oder lang vielleicht auch die Tennisplätze, auf denen heute schon Spieler ungestraft bunte Sportkleidung tragen und ausspucken dürfen, und letztlich die Golf- und Poloplätze erreichen. Übrigens eine lustige Vorstellung! Außerdem räume ich ein, teilweise sogar miteingestimmt zu haben, weil es mir um die Verstärkung des berechtigten kollektiven Unmutes und die gleichzeitige Äußerung des meinen ging. Die Gesellschaft verändert sich halt, und wenn immer mehr Menschen unabhängig vom Bildungsgrad – aber was zählt das noch, wenn die Bildung, von angeeignetem Fachwissen einmal abgesehen, insgesamt eher abnimmt – ein proletiges Benehmen an den Tag legen, dann verschafft sich das eben auch so Ausdruck. Früher war sicherlich nicht alles besser, aber da hatten wir noch ein ausreichend gebildetes Proletariat, daß zu Recht stolz auf sich war, und Proletentum in den eigenen Reihen nicht duldete; das blieb den Asozialen und in allen Schichten vorkommenden Emporkömmlingen vorbehalten, die aber isoliert und allgemein nicht wirkmächtig waren. Damit aber die Steigerung in der Ausdrucksweise als reine, unbeachtliche Zeiterscheinung abzutun und als immer schon existierende, eher spielerisch zu wertende ritualisierte Feindschaft gleich dem überall gebrauchten „Zieht den Bayern die Lederhosen aus!“ zu bewerten, springt meines Erachtens zu kurz.

Außerdem muß etwas  ergänzt werden, was man am reinen Wortlaut der Fansprüche nicht erkennen kann. Das ist nämlich die Art, wie der Extrem-Fan seinen Unmut ansonsten kundtut. Man schaut dabei nämlich in entrückte, haßerfüllte Gesichter und sieht Menschen, die unablässig den Stinkefinger zeigend, enthemmt, extrem fanatisiert, irgenwie also auf ihre animalistischen Grundstrukturen zurückgeworfen, von und in der Masse angeheizt und getragen agieren. Da hat man leider nicht mehr den Eindruck, daß das ein spaßbereitendes Spiel ist, sondern das erscheint vielmehr bitterernst, und man würde sich fast nicht wundern, stürmten sie auf den Platz und richteten, am besten nur ihre Gebisse gebrauchend ein Blutbad unter den Gegnern und verhaßten Schiedsrichtern an. Das ist zwar zum Glück so noch nicht vorgekommen, aber schlimme Ansätze dazu gab es schon zu beobachten. Und genau das macht den Unterschied zwischen dem ansonsten friedlichen und nichtfanatisierten Fan aus, der nämlich keine blutunterlaufenden Augen hat oder bekommt, wenn er sich unflätigen Spruchkaskaden anschließt oder individuelle absetzt, und schon währenddessen oder spätestens danach lachend sein Bierglas hebt und weiterschaut, als wäre nichts gewesen. Zugestanden mag sein, daß auch größere Teile der Extremen zumindest vorübergehend früher oder später wieder von ihrem überbordenden Erregungszustand wieder herunterkommen, was jedoch nichts daran ändert, daß sie überhaupt ersteinmal so weit aus sich herausgegangen sind.

In der heutigen Zeit scheint mir die Auffassung vorzuherrschen, daß gerade die Extremisten  von IS und Boko Haram eine einzigartige Erscheinung seien, die obendrein nur der fehlgeleitete Teil des Islam hervorbringen kann. Das genau aber muß ich  bezweifeln. Ich neige dazu, zu behaupten, daß die von mir beschriebenen Fans – und  in letzter Ausprägung auch Du und ich trotz besserer Bildung und ausgeprägterer und verinnerlichter Kulti- bzw. Zivilisiertheit, die höhere Hemmschwellen aufbauen, irgendwann –  unter „richtiger“ Anleitung zur rechten Zeit gleichermaßen eingesetzt werden können und zu ähnlichen Greueltaten fähig wären. Die Geschichte nahezu aller Völker der Welt und, vor der eigenen Haustür kehrend, gerade die unsere legt dafür beredtes Zeugnis ab. Auch traue ich nicht ausreichend den Beschwichtigungsthesen, die in Sportereignissen wie dem Fußball nur eine gesunde Abregungsmöglichtkeit für angestaute Triebe und Aggressionen sehen und ihnen insoweit sogar heilende respektive Schlimmeres verhindernde Wirkungen zuschreiben.

Daher pläderiere – unterstellend, daß ich Recht, habe, daß dort qualitative Veränderungen im Sinne einer objektiven Steigerung vorsichgehen – ich dafür, diesem Phänomen mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Wehret den Anfängen!

Nicht vergessen zu erwähnen darf und will ich, daß wir trotzdem einen schönen Fußballabend hatten. Aber das ist ja gerade das Ambivalente daran, was leider auch einen schalen Beigeschmack hinterläßt.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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wolfsgeheul.eu vom 05.03.2015

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Heute habe ich zum ersten Male bewußt wahrgenommen, daß selbst unter dem edlen, schönen Holzzigarrenkistchen ein die Optik verschandelnder Warnaufkleber der bekannten Art klebt und mich im Layout einer Todesanzeige mit schwarzen Lettern auf weißem Grund folgendermaßen aufzuklären oder zu informieren versucht: „Kinder von Rauchern, werden oft selbst zu Rauchern“.

Einmal davon abgesehen daß die leider große Zahl der Kinderlosen darin keine abschreckende Botschaft für sich erkennen kann und muß, sie also dort wirkungslos verpufft, ist das doch auch für den sich angesprochen fühlen könnenden Rest eine sich unverhohlen dümmlich keck im Vagen bewegende Aussage ohne besonderen Wert. Mit einer halbwegs gesicherten Prozentangabe, die es aber nicht zu geben scheint, böte sie wenigstens im Ansatz eine Entscheidungsalternative, wäre aber immer noch nicht stichhaltig, wenn – was ich nach eigener Anschauung allein mit Blick auf meine Kinder auch vermute – der Anteil der Nachahmerkinder nicht signifikant über, nur dann machte es überhaupt Sinn, fünfzig Prozent – bei mir sind es übrigens sogar null Prozent – liegt. Dann nämlich stünde der von Sorgen gequälte Raucher vor einem Dilemma. Hörte er nämlich auf und sein Kind käme trotzdem ans Rauchen, könnte – lassen wir einmal Stochastik, Logik, Erkenntnistheorie usw. außer acht, die, berücksichtigte man Regeln,  Ansichten etc. aus diesen Bereichen, die Sache mit Sicherheit enorm verkomplizierten und unterschiedlichste Szenarien von Möglich- oder Unmöglichkeiten produzierten – oder müßte er sich vorwerfen, nicht weitergeraucht zu haben. Damit erginge es ihm nicht besser, als dem rücksichts- und bedenkenlosen Weiterraucher, dessen Kind dem Warnhinweis entsprechend wie angeblich oft auch Raucher wird.  Es wäre demnach nicht nur nichts erreicht, sondern man würde zusätzlich dem Exraucher arge Gewissensbisse verschaffen und ihn damit sogar schlechter stellen als den Raucher, dem das ganze Nachihm entweder déluge ist oder der sagt, er habe auf die abschreckende Wirkung gesetzt, nur deswegen aufopferungsvoll fortdauernd sich selbst geschädigt, aber leider die Pair- Impair-Wette verloren, es jedoch wenigstens versucht.

Als Fazit hoffe ich, somit oberflächlich, aber mutmaßlich auch nach tiefergehender Betrachtung unstreitig stellen zu können, daß dieser Aufkleber wegen unrettbarer Unsinnigkeit und obendrein eventueller negativer Folgen niemals hätte in Druck gehen dürfen.

In einer Folge der Serie MASH brüllt Major Margaret Houlihan, als sie von Hawkeye erfährt, daß die Punkteschwelle für die Heimreise aus dem Koreakrieg wieder erhöht worden ist und letztere sich damit verzögert  und zusätzlich das Risiko steigt, doch noch vorher zu fallen, soweit erinnerlich, aber jedenfalls sinngemäß „Welcher Politikerarsch hat denn das ausgeschissen?“.  Die vornehme Krankenschwester mit dem Herz am richtigen Fleck legte damit den Finger in die Wunde der oft fehlenden Praxisbezogenheit und des nicht vorhandenen Einfühlungsvermögens in die Menschen vor Ort der heimischen, in Sicherheit befindlichen Bürokratie, hatte also entweder den kleinen, weltfremden Hinterzimmerbeamten oder den in Saus und Braus lebenden, weit vom Geschehen sich fernhaltenden Spitzenpolitiker, also allesamt unerfahrene Ignoranten, als Adressaten ihres Fluches vor Augen. Für uns gilt die kraftvolle Äußerung aber im übertragenen Sinne gleichermaßen, denn man fragt sich doch, wie aus unzähligen Manntagen von minesterialen Stäben und gewöhnlich gleichviel externen Beratern ein solcher, obendrein teurer Bullshit herauskommen kann. Da kreißen die Berge und heraus kommt dieses lächerliche, nutzlose Aufkleberchen.

Da ich ohnehin, mutmaßlich berechtigte Zweifel an der zählbaren Wirkung der Warnungen vor den Folgen des Rauchens habe, schlage ich vor,  die Fehlbarkeit großer Verwaltungen – das gilt auch für private -, die allenthalben auf solcherlei Art augenfällig wird,  nicht weiter herauszufordern , diese Kampagne einfach ersatzlos einzustellen und das Geld lieber im weitesten Sinne in eine vernünftige und ausreichende Erziehung unserer Kinder zu stecken und sie zu selbstverantwortlichen Menschen zu erziehen, die zu gegebener Zeit ihre Entscheidungen selbst zu treffen vermögen. Und wenn es die zu rauchen ist!

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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