wolfsgeheul.eu vom 13.01.2017

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„Fünf Minuten Peter!“, so stürmte ab und an der Schwager eines Onkels von mir vor fast sechzig Jahren in die Wohnung meiner Eltern in Düsseldorf. Es muß sich – ich habe keine Erinnerung mehr an den relativ früh Verstorbenen – um einen sympathischen, lustigen und äußerst agilen Mann gehandelt haben, einen später sehr erfolgreichen Architekten, dessen erstes Haus allerdings zunächst über kein Treppenhaus verfügte. Diese nebensächliche Kleinigkeit war ihm wohl in des aufregenden Lebens Hektik durchgegangen. Und so waren auch seine Besuche meist nur kurz. Mit dem eingangs zitierten Satz begehrte er ein schnelles Lauschen auf die Klänge Tschaikowskys von der schweren Deutsche Grammophon-Schallplatte aus der neuen, in der Zeit noch raren Musiktruhe der jungen Familie Meyer. Den Mann hätte ich auch gerne kennengelernt. Offenbar ein Original!

Heute nun blättere ich rein interessehalber im Programm der neuen Elbphilharmonie und finde:

„»Klassik Kompakt« – der Titel für das neue Konzertformat des NDR Elbphilharmonie Orchesters ist Programm: In der Kürze liegt die Würze. Für alle, die im hektischen Arbeitsalltag wenig Zeit für Konzertbesuche finden, gibt es jetzt das Stundenkonzert am Sonntagnachmittag. Runde 60 Minuten aufregende Orchestermusik im Großen Saal der Elbphilharmonie – und der Abend ist noch frei für andere schöne Dinge des Lebens! Die Reihe mit insgesamt drei Konzerten zu attraktiven Preisen unter der Leitung von renommierten Dirigenten ist auch das ideale Abo für Klassik-Einsteiger.“

Ein Programm ist der offiziellen Homepage nicht zu entnehmen. Das ist aber wohl auch egal, weil die Besucher ohnehin entweder keine Zeit oder keine Ahnung oder beides haben. Auf Musik muß man sich jedoch mit Muße einlassen auch und gerade als Anfänger. Sonst kann man es direkt ganz bleiben lassen. Klassik schlingt man nicht im Schnellimbiß in sich hinein, sondern genießt sie im Gourmetrestaurant. Dieses Angebot spricht also für sich und für unsere oberflächliche Zeit. Und der Expreß-Besucher an der Oberbilker Allee war auch nur deshalb in der Lage, sich an einem Häppchen zu erfreuen, weil er das ganze Stück natürlich kannte. Nur fundierte Kennerschaft, die man nicht spielerisch und nebenbei erlangen kann, ermöglicht auch den schnellen Genuß. Es ist nämlich eine Mär, zu glauben, man könne nur im Vorbeigehen Geschmack finden.

Es gibt aber noch ein groteskes Fundstück:

„Bunte Decken und Kissen sind ausgebreitet, kleine Entdecker krabbeln zu klassischer Musik – das sind die seit Jahren beliebten »Elfi-Babykonzerte«. Wunderschöne und abwechslungsreiche Streichermusik, gespielt vom Ensemble Resonanz, lädt die Allerkleinsten und ihre Eltern zum Wiegen, Schmusen und Mitwippen ein. Die beste Gelegenheit, zum ersten Mal klassischer Musik zu lauschen und mit großen Augen die Instrumente zu bestaunen. Ausreichend Kinderwagenstellplätze und Wickelkommoden sind vorhanden. Wie immer kommen die »Elfi-Babykonzerte« in die Stadtteile – und ziehen nun auch erstmals ins Kaistudio der Elbphilharmonie ein.“

Garniert übrigens mit herzzerreißenden Bildern von Säuglingen auf dem Schoße ihrer beseelt dreinschauenden Mütter und bevorzugt Väter! Na, da möchte man doch gerne mittun. Während von den Wickeltischen ein leicht süßlicher Kinderkackegeruch herüberweht und die Kleinsten auf den Krabbeldecken juchzen, muß es doch ein wahrer Genuß sein, klassischer Musik zu lauschen. Was kommt da auf uns zu an hochbegabten, musikalisch genialen und sicher auch noch multilingualen jungen Menschen! Gut, daß ich mich nicht mehr fortpflanzen muß, denn diese übereifrigen Miteltern mit ihren überzüchteten Blagen könnte ich keine Minute ertragen.

Und wie konnte eigentlich ohne diese Frühbeschallung aus mir überhaupt etwas werden!? Warum kann ich so viel klassische Musik von der ersten bis zur letzten Note mitsummen?

Vielleicht waren es die „fünf Minuten Peter“?

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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wolfsgeheul.eu vom 12.01.2017

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Der heutige Umweltschutz ist nicht so neu, wie man uns glauben machen will, und auch nicht à priori ein großer Fortschritt.

Das möchte ich an zwei Beispielen verdeutlichen.

Heute habe ich Hemden aus der Reinigung geholt, von denen die meisten schon Jahre, vielleicht teilweise sogar mehr als ein Jahrzehnt auf dem Buckel haben respektive den meinen bekleideten. Gerade bei meinen Lieblingshemden bleiben so Gebrauchsspuren nicht aus, die sich insbesondere in angeschlissenen Doppelmanschetten und Kragen(-Ecken) bemerk- und sichtbar machen. Nicht wenige hätten diese Schätzchen schon längst entsorgt, denn die Weiterverwertung als Putzlappen ist leider auch aus der Mode gekommen. Ich dagegen bringe das nicht nur nicht übers Herz, sondern schätze diese leichte Schludrigkeit à l’anglaise sogar sehr. Sauber und korrekt gebügelt werden sie mich noch einige Zeit begleiten. Irgendwann aber wird der Tag kommen, an dem ich werde aussortieren müssen. Warum eigentlich? Der Großteil dessen, was ein Hemd ausmacht, ist noch vollends intakt. Früher ging man zum Schneider seiner Wahl und ließ für kleines Geld die Manschetten und Kragen erneuern, sprich austauschen. Aber erstens macht das heute wohl nur noch der teure Maßschneider, und zweitens kostet ein komplett neues Teil weitaus weniger als die Reparatur. Fortschritt?

Der andere Fall! In den letzten Jahren als Alleinlebender – egal ob beweibt oder unbeweibt – bin ich gezwungen mehr und häufiger selbst einzukaufen als in meinem ganzen Leben zuvor. Dabei begleitete mich treu ein stabiler Weidenkorb mit flachem Bügel, der sogar im Roadsterheck Platz fand. Vor längerer Zeit rieß die Tragetraverse ab. Aus Sicht der beabsichtigten Funktion eines Einkaufkorbes ein Totalschaden! Seither suche ich nach Ersatz oder gar nach einem Handwerker, der – der Korpus war ja noch unbeschädigt – eine Reparatur hätte bewerkstelligen können. Aber die fahrenden Korbmacher, die früher regelmäßig am Ortseingang ihren Verkaufsstand und ihre Werkstatt aufbauten, gibt es nicht mehr. Und auch ansonsten bekam ich entweder ungläubiges Kopfschütteln oder die Tipps waren keine, weil sie mit „Früher gab es da ‚mal einen ……“ anfingen. Also den Korb weiter benutzt, indem ich ihn unterfaßte, statt am Henkel zu tragen! Ein Bild für die Götter! Seit Weihnachten bin ich nun glücklicher Besitzer eines nagelneuen, kunstvoll geflochtenen Exemplares eines österreichischen Flechtmeisters, der sogar eine Garantie auf sein Werk gibt, den meine Kinder mir geschenkt haben. Meine Tochter ist irgendwo in Bayern darauf gestoßen und hat, begleitet von großer Skepsis ihres Bruders, ob das denn ein tolles Geschenk sei, spontan zugeschlagen. Meine riesige Freude hat dann den einen bestätigt und des anderen Zweifel beseitigt. Ein Korb in Zeiten der Plastiktüte ist fortschrittlich. Hätte ich einen Kamin, könnte der alte sogar noch mit seinem Heizwert oder besser als Anmachholz final dienen.

Der überwiegende Rest der Welt aber lebt die Wegwerfgesellschaft mit Produkten, die fern der Heimat oft unter unsäglichen Bedingungen und nicht selten sogar in Kinderarbeit entstehen. Umweltschutz und Ressourcenschonung fangen aber nicht selten genau da an, wo die alte Welt aufgehört hat zu sein.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

 

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