wolfsgeheul.eu vom 01.03.2016

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Hybris oder Lebenslust?

Der 86. Genfer Automobilsalon hat seine Tore geöffnet und die FAZ untertitelt jubelnd: „….der beste Platz, um auf andere Gedanken zu kommen.“ und „Als gäbe es keine Krise, schiebt die Autoindustrie munter ein faszinierendes Vehikel nach dem nächsten auf die Bühne.“.

Zugegebenermaßen braucht der Mensch gerade in schwierigen Zeiten Ablenkung vom Elend. Auch ich fordere immer wieder, man solle sich seine Träume bewahren, wobei ich damit, um exakter zu sein, Wunschträume meine. Und was ist zumindest für Männer besser dazu geeignet als die vermeintlich glückselig machenden Blechkisten!? Aber präsentieren uns die Autokonzerne wirklich ein Faszinosum nach dem anderen? Nach meinem Eindruck leider eher nicht!

Die Fahrzeuge werden immer größer, schwerer, uneleganter, schwülstiger und stoßen in PS-Regionen vor, die weit jenseits des Notwendigen liegen und keine Luststeigerung mehr zu vermitteln vermögen. Auch der Grenznutzen von Pferdestärken geht nämlich bekanntermaßen gegen Null. Deren Erhöhung befriedigt nur Zahlenfetischisten und Angeber, bringt jedoch keinerlei meßbare Erhöhung von Gefühlswallungen mit sich. Zusätzlich scheint die Überfrachtung mit entmündigender Technik unaufhaltsam voranzuschreiten, so daß der herausfordernde Ritt auf der Kanonenkugel immer mehr zum fremdgesteuerten Transport in einer gepolsterten und akustisch abgeschirmten Rohrpostkapsel mutiert. Der Sound der Karren wird zunehmend künstlich verstärkt oder gar erst erzeugt und selbst wenn man von Holz und Leder umgeben ist, klingt und riecht es einzig nach Plastik.

Wer sich hier noch erregt fühlt, der liebt auch Espresso aus Kapselmaschinen, sucht seinen Partner im Internet, lernt veganes Kochen und wäscht seine Hände mit Sagrotan.

Will man heute faszinierende Automobile erleben, muß man Young- und Oldtimer-Salons besuchen. Bestimmte Dinge lassen sich eben nicht verlustfrei auf die Gegenwart transponieren und die Konzernlenker versuchen es offensichtlich nicht einmal mehr, geschweige denn, daß es ihnen gelänge, alte Gefühle durch gleichwertige neue zu ersetzen. Sterile Autos für sterile Kunden. Hallo Hybris, adieu Faszination, adieu Genf!

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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wolfsgeheul.eu vom 23.07.2015

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Die Daimler AG schickt mir als Youngtimer-Besitzer neuerdings freundlicherweise das auch für Journalisten – insoweit Dank für Themenanregung – lesenswerte Hochglanzmagazin „Mercedes-Benz Classic“ zu. In der Ausgabe 01/2015 findet sich ein Kaufberatungsartikel zum S-Klasse-Modell der Baureihe W 108, welches von 1965 bis 1972 produziert wurde. Das Oberklasseautomobil meiner jungen Jahre! Ein prachtvolles Stück Blech, Holz und Technik, nicht protzig, sondern einfach nur klassisch, erhaben schön! Und wem er nicht gefiel, der konnte ab 1968 mit einem Jaguar XJ einen britisch distinguierten oder mit dem großen BMW 2500 bzw. 2800 der Baureihe E3 einen dezenteren, bajuwarisch sportlichen Akzent dagegen setzen, beide auch noch Gesichter in der Menge mit unverwechselbarer Markenidentität.

Man fragt sich, ob die aktuellen Manager der Automobilbranche sich diese alten Wagen ab und zu noch einmal in Erinnerung rufen, wenn es um die Entwicklung der neuen geht. Ich glaube, sie tuen es nicht respektive nicht in ausreichendem Maße. Sonst müßten sie, die immer von Fortschritt sprechen, nämlich ins Grübeln kommen.

Schauen wir uns den Oldtimer-Benz genauer an. Zunächst zeichnet ihn eine übersichtliche Karosserie, die Abstandspiepser obsolet macht, aus. Die großen Scheiben stehen steil, was überwiegend auf eine Klimaanlage verzichten läßt. Der Kofferraum fällt mit 610 Litern riesig aus. Obwohl noch aus dem vollen geschnitzt liegt das Gewicht bei nur rund 1550 Kilogramm, so daß es nicht verwundert, daß er mit dem drei Liter Sechszylinder-Motor im 280SE und nur 170 Pferdestärken bereits die 200 km/h-Marke knacken kann. Der fahrende Tempel stand durchaus optisch stimmig auf 185er Reifen, die heute bereits von einem Golffahrer als bessere Fahrradreifen verspottet werden. Der Verbrauch liegt bei knapp 13 Litern Benzin. Die Preisliste begann bei gut 15.000 DM.

Wie sieht das 50(!) Jahre später mit der Baureihe 222 aus, bei der die Preisliste erst mit exorbitanten gut 80.000 Euro beginnt? Der kleinste Benziner hat ebenfalls sechs Zylinder bei 3,5 Litern Hubraum und sage und schreibe 333 – für Untertürkheim Keilerei! – PS. Der schmalste Reifen ist ein 245er. Der rundgelutschte Koloß wiegt fast 2000 kg, wird mit 8,4 l Super Verbrauch angegeben, verbraucht in der freien Wildbahn also in Wahrheit auch nicht weniger als sein Urahn, so daß man obendrein mit Fug und Recht am maßgeblichen Einfluß von nicht hübscher machender Aerodynamik zweifeln darf. Das eher unübersichtliche Automobil mit kleinen, sehr schräg stehenden Scheiben ist unnütz Verkehrsraum fressende 26 Zentimeter länger, fast 10 cm breiter, gut 4 cm höher und hat dann aber trotzdem satte 100 Liter weniger Kofferraumvolumen. Ohne Klimaanlage hält man es in ihm kaum aus und ohne Parkhilfen rangiert man ihn quasi im Blindflug. Und optisch? Na ja, immer noch als Mercedes erkennbar, aber eine klassische Schönheit sieht anders aus, und wenn man am Armaturenbrett auf Holz klopft, hört man einen Plastikton, das normale Leder riecht kaum nach etwas Natürlichem und stilvolle, edle Velourpolster – früher hatte nur der Chauffeurssitz praktischerweise strapazierfähiges und schmutzabweisendes Leder als Bezug – gibt es gar nicht mehr; vornehme Blässe ist ja auch aus der Mode.

Das soll also der Fortschritt sein!? Ich weiß! Die neue Technik wie Airbags, ABS sowie zahlreiche Elektromotoren für in meinen Augen entbehrlichen Komfort einer verweichlichten Generation etc. treiben das Gewicht in die Höhe. Aber wenn Blech nur noch hauchdünn oder Plastik ist, Holzdekor nicht mehr furnierte zentimeterdicke Bretter sind, hochfeste Stähle in geschickter Profilierung viel geringere Dicken verlangen, Stoßstangen ihren Namen nicht mehr verdienen, federleicht und lackiert sind, damit bei den Werkstätten die Kassen klingeln, Sitze nicht mehr schwere Sprungfedern, sondern leichte Schaumstoffe polstern und Chrom nur noch blendet aber nicht mehr metallisch tönt, dann müßten doch die Pfunde purzeln, die man für zeitgemäße Technik dann wieder auffüllen kann. Aber fast ein halbe Tonne mehr, maßgeblich größer bei weniger Platz, kein geringer Verbrauch, das gleicht doch einem Offenbarungseid der Ingenieure. Und das alles, um uns technisch sicher großartige Kisten vor die Nase zu stellen, die kaum noch Seele haben, sich nur schwerlich von Konkurrenzprodukten unterscheiden lassen und weder Herz noch Auge richtig erfreuen.

Mir ist bewußt, daß der Erfolg beim Daimler mich Lügen straft. Auch weiß ich aus der eigenen Familie, daß ich bei der Jugend mit einem 21 Jahre alten W124er Coupé nicht so recht punkten kann, die wollen Stand der Technik und Mode.  Auf der anderen Seite ernte ich in dieser Youngtimer-Ikone nur wohlwollende und erfreute Blicke aller Generationen. Also, liebe Mercedes-Leute, gebt dem Vorstand einmal einen W108er als Dienstwagen und überzeugt ihn so, einen Retro-Mercedes – praktische Dreiecksfenster nicht vergessen! – mit alten Werten bzw. Vorteilen und neuer Technik, ohne überflüssigen Schnickschnack wie elektrische Sitze, Abstandspiepser, klappbare – braucht man bei schmaleren Autos nicht – Spiegel etc., der nicht schwerer ist und weniger verbraucht, zu bauen. Ihr könnt es doch und baut auch sonst fast jeden Nischenwagen, um keinen potentiellen Kunden zu verfehlen. Ich bin mir sicher, die wahren Autoliebhaber lägen Euch zu Füßen und das konkurrenzlose Produkt – Jaguar ist, wenn man von der Karosserie des F-Type absieht, doch leider auch nicht mehr das, was es einmal war – würde ein Renner. Schickt mir gerne schon einen Vorvertrag zu. Warte gespannt!

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

 

 

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