wolfsgeheul.eu vom 14.03.2017

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„Blödsinn“!

Es freut mich sehr, daß die gestrige banausige Kolumne meinen Freund und den Weinkenner Harald Klein offensichtlich so sehr auf die Palme gebracht hat, daß er sich erstmalig zu einem genauso launigen wie kundigen Kommentar, den ich sehr zur Lektüre empfehle, herausgefordert fühlte, obwohl er sich geschäftlich mit vollem Programm im schönen Tel Aviv aufhält. So geht – im wahrsten Sinne des Wortes – geistvolle Auseinandersetzung! Genau diese Begeisterung für das Feine schätze ich unter anderem an ihm, und ich lerne viel, was aber nicht zwingend bedeutet, daß ich immer versuche, es ihm gleichzutun. Der gemeinsamen Leidenschaft für die guten und schönen Dinge tut das keinen Abbruch, und jeder setzt halt andere Schwerpunkte.

Die tatsächliche Herkunft des angesprochenen Weines bringt mir übrigens einen netten Witz in Erinnerung, der sich um die Person von Helmut Kohl rankt. Dieser soll dem humoresken Ondit  folgend beseelt von der durch sein hohes Amt neu gewonnenen Internationalität am Kabinettstisch von seinem Wanderurlaub im österreichischen Stanton geschwärmt haben, woraufhin man ihn freundlich-kollegial darauf hinwies, daß es sich wohl um die Gemeinde St. Anton gehandelt habe. Der Altkanzler – entgegen sonstiger Erfahrungen mit ihm – zeigte sich einsichtig und berichtete als gelehriger Schüler im Jahr darauf ebenso freudig von seinen erholsamen Tagen beim Wandern in der St. Eiermark.

Mich hat Herr Gernhardt inspiriert, weil wir neben Holland und Frankreich auch in Deutschland dieses Jahr sehr entscheidende Wahlen erwarten, die uns Aufschluß darüber zu geben versprechen, wie tief das rechte Virus inzwischen in Europas Organismus eingedrungen ist. Bleiben wir also beim Wein!

Neue Schläuche  

Da liegt er nun, der alte Wein,

In der verstaubten Flasche

Und wartet in sein Ende rein,

Da er wird zu Asche.

Es ist der Weg des irdnen Seins,

Dies gilt’s zu akzeptieren.

So funkt man denn auch Gott nicht rein

Und läßt es halt passieren.

Nur manche finden Spaß daran,

Zu hindern den Gang der Gebräuche,

Und füllen die alte Brühe dann,

Hinein in neue Schläuche.

Auch wenn es vielleicht verwegen klingt, hoffe ich sehr, daß der liebe Gott Harald Klein und mir noch so manche Gelegenheit schenken wird, dreißig Jahre alte Weine, die zu Beginn schon gut waren und zwischenzeitlich nur noch besser geworden sind, gebührend zu würdigen und zu verkosten. Am liebsten einen, der erst noch gekeltert werden muß!

Aber politisch wünsche ich mir, daß die, die uns heute bereits seit langem umgekippten, firnigen Wein in neuer Flasche verkaufen wollen, damit keinen Erfolg haben werden. Am meisten Hoffnung setze ich dabei auf die Grande Nation. Wo, wenn nicht dort, sitzen die echten Weinkenner!? Es wäre doch gelacht, würden die Franzosen als Connaisseure mit der Le Pen-Cuvée „Adolf Hitler“ nicht das einzig Richtige tuen. Sie ausspeien!

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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wolfsgeheul.eu vom 23.06.2015

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Wegen einer abendlichen Verpflichtung erscheint meine heutige Kolumne ungewöhnlich früh!

Mein sehr guter Freund, Harald Klein, ein weit über Deutschland hinaus bekannter diplomierter Designer, Innenarchitekt, Photograph und Maler, der insbesondere im Bereich „Hotel“ und „Gastronomie“ arbeitet, hat heute Geburtstag. Für mich ein Anlaß, einmal über die Profession „Innenarchitekt“ nachzusinnen, zu der meine Ansicht auch durch ihn einigen Wandlungen unterworfen wurde.

Rundheraus gesagt hielt ich, obwohl architekturbegeistert, einen Innenarchitekten zumindest im privaten Wohnbereich lange Zeit grundsätzlich für überflüssig. Ausnahmen galten für mich nur für die Bauherren und Eigentümer, die zwar Geld, aber keinen (eigenen) Geschmack bzw. Stil besitzen. Und bevor solche Herrschaften, obendrein gleichwohl für Unsummen, ästhetische Desaster anrichten, sollen sie sich doch lieber von Profis vorgeben lassen, wie man so halbwegs schön lebt. Berechtigte Bedenken aber, daß es dem Stillosen solcherart tatsächlich dauerhaft gelingt, sein Defizit zu verbergen, sind jedoch zumindest bei nicht fortdauernder Beratung angebracht. Irgendwann fällt dann doch auf, daß zum Beispiel keine (respektablen) Bücher vorhanden sind, die Atmosphäre etwas antiseptisch wirkt und individuelle Zutaten wie Kunst- und Dekogegenstände den Ungeschmack offenbaren. Wenigstens stimmt aber noch das Grundgerüst. In meiner Jugend durfte ich einmal bei Eltern einer Kommilitonin das Werk einer Inneneinrichterin – was auch immer das ist und diese Person war – „bewundern“, die unter anderem im Wohnraum einen orange-roten, umlaufenden Farbstreifen an den Wänden unterhalb der Decke empfohlen hatte. Das wirkte leider nur artifiziell, geradezu lächerlich und hatte nichts organisch Individuelles. Auf der anderen Seite bewundern wir Gesamtkunstwerke wie das Palais Stoclet in Brüssel, die Villa Tugendhat in Brünn oder die Villa Esche in Chemnitz. Aber heißt Verehrung der großen, umfassend tätigen Architekten und Formgestalter auch, daß man in solchen Häusern leben wollte? Und muß wirklich bis zu den Möbeln, Stoffen, dem Geschirr und Besteck alles durchgestylt und einheitlich sein? Meine persönliche Antwort lautet „nein“. Der Spaß beginnt doch in meinen Augen erst da, wo man in eine kunstvoll und anspruchsgerecht gestaltete Hülle sich selbst einbringt, um damit ein individuelles Gesamtbild zu schaffen. Dieser Akt, diese Fähigkeit vermögen doch selbst aus einer schlichten, praktischen Wohnung ein eigenes, behagliches Heim zu schaffen. Mein Zwischenfazit lautet also, daß der Innenarchitekturprofi, wenn überhaupt, für den normal Stilbegabten im privaten Bereich nur in gewissen Grenzen bei grundsätzlichen Gestaltungs- und Einrichtungsentscheidungen gegebenenfalls notwendig und sinnvoll ist. Daß er, wenn er was kann, dabei aber dann, wie schon der Hochbauentwurfsarchitekt, aufgrund seiner speziellen Begabung und Ausbildung ein Können offenbart, das der durchschnittliche Wohnungsbesitzer nicht hat, soll trotzdem schon an dieser Stelle betont und zugestanden werden. Da habe ich aus eigener Anschauung mit Anleitung durchaus dazugelernt.

Im (halb)öffentlichen Bereich dagegen ist es auch für mich eine selbstverständliche Notwendigkeit, daß der Bauherr bzw. Besitzer nichts dem Zufall und/oder allein dem eigenen Geschmack überläßt. Dies gilt schon deshalb, weil der eigene Stil eines Einzelnen zumeist nicht mehrheitsfähig ist. Ein Hotel aber zum Beispiel soll einem großen Publikum gefallen und damit Gewinne einspielen, obwohl jeder einzelne Gast zu Hause seinen ganz individuellen Geschmack lebt oder gar keinen hat. Da kommt zwangsläufig der Künstler ins Spiel, der die Fähigkeit besitzt, alle Interessen in etwa unter einen Hut zu bringen und trotzdem ein ganz besonderes, einzigartiges Ambiente zu kreieren. Das allerdings sollte dann tunlichst als Gesamtkunstwerk gesehen werden und in der Substanz unangetastet bleiben. Für ein Hotelfoyer gilt eben das oben für den Privatbereich Gesagte nicht, hier soll sich nicht der Eigner oder der Direktor noch zusätzlich verwirklichen, weil damit mutmaßlich alles ge- und evtl. sogar zerstört und gerade nicht sinnvoll und ästhetisch ergänzt wird. Wer, wie ich, einmal anläßlich einer Geschäftsreise sehen durfte, wie aus einem wunderbaren, ehemaligen Sanatoriumsgebäude im Bauhausstil reinsten Wassers eine kitschige schwarz-goldene Palmwedelhölle als Hotel gestaltet wurde, weiß wovon ich rede. Ein aktuelles Beispiel konnte ich am vergangenen Wochenende  mit dem rund 25 Jahre alten „Hotel im Wasserturm“ – damals eine Sensation und eigentlich ein neuzeitliches Denkmal – in Köln besichtigen, das nach Auslaufen von Bindungsfristen seit  rund 15 Jahren nach und nach die geniale Ausstattung von Andrée Putman verändert oder ersetzt. Da verschwinden der puristische Tresen – jetzt steht da ein orientalisch und leicht schwülstig anmutender, roter Samtklotz – und die halbrunden Tischchen mit dem praktischen Auszug, die besonderen Sessel werden völlig unpassend, kitschig umbezogen oder, wie auch die wunderschönen Metall-Opalglaswandlampen, sogar ausgetauscht; letztere wurden von billig wirkenden Stoffschirmchen vor dem Glühkörper verdrängt; auch große Teile der Zimmer werden aktuell umgestaltet und mutmaßlich nicht schöner. Bisher zumindest fehlt augenscheinlich das richtige Händchen, so daß leider kein neuer großer Wurf entsteht. Es mag nun sein, daß sich mit Schönheit allein kein Geld verdienen läßt, weil der Durchschnittsgast diese nicht entsprechend benötigt, wahrnimmt und honoriert. Aber kostet denn Ästhetik immer maßgeblich mehr und muß man überhaupt etwas Einzigartiges unwiederbringlich zerstören!? Meiner festen Überzeugung nach nicht! Warum gibt es für so etwas keinen Denkmalschutz? Zu spät, Dr. Tulp! Der „Leichnam“ – das Bild ist eigentlich falsch, da hier am lebenden Körper sich vergangen wurde und wird – ist bereits zerfleddert. Manchmal weiß man aber natürlich auch erst hinterher, was einem und der Menschheit verloren gegangen ist.

Mein Schlußfazit besteht also darin, daß ich zwischenzeitlich von der Existenzberechtigung von Innenarchitekten insbesondere im öffentlichen Raum hundertprozentig überzeugt bin. Richtig gut wird es aber nur dann, wenn geniale Köpfe am Werke sind. Dem Geburtstagskind sei Dank dafür, mir tiefere Einblicke und Einsichten in diese schöne Welt gewährt und gleichzeitig mit dafür gesorgt zu haben, daß mir die Themen für meine Kolumne nicht ausgehen. Denken wir an die Profis, wenn wir demnächst wieder ein Hotel oder öffentliches Gebäude betreten, und machen wir uns immer wieder ein würdigendes Bild von der oftmals großartigen Arbeit, die dort geleistet wird; das ist teilweise lebendige Zeitgeschichte von morgen, und wenn wir Pech haben, ist es in unserer unbedachten, schnelllebigen Epoche schon bald wieder wie eine Seifenblase zerplatzt. Soviel Zeit muß sein!

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

 

 

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